Was soll der Leser über Sie wissen?
Ach, möglichst wenig. Er soll unbefangen an mich herangehen, das wäre mir das Allerliebste.
Wovon handelt Ihr Buch? Warum musste es gedruckt werden?
Mich ärgert schon lange, dass hier mit Legenden Politik gemacht wird. Sie erinnern sich sicher an die feierliche Übergabe der Benin-Bronzen? An das nigerianische Volk, das mit diesen Benin-Bronzen nie etwas zu tun hatte, denn das sind Bronzen eines kleinen Sklavenstaates namens Benin.
Es wurde also nicht dem „Volk“ als dessen Kulturgut zurückgegeben, sondern den Nachfahren dieses Königreichs, die diese Bronzen auch gleich kassiert haben. Dabei sollten die doch ausgestellt werden in einem von Deutschland finanzierten Museum. Dazu ist es nicht gekommen. Das ist so lächerlich alles, dass ich gedacht habe: Dem muss man mal nachgehen.
Und ich habe hervorragende Beiträge dabei – emeritierte Professoren sind immer am offensten von allen. Wir haben ein paar Geschichten einfach mal untersucht, von den besagten Benin-Bronzen über den Ersten Weltkrieg, Sie wissen schon: wer warschuld? Die Arbeit daran hat einen Riesenspaß gemacht!
Dass dieses Thema von unserer Politik instrumentalisiert wird, stört wahrscheinlich mehr, als dass die Figuren hier jetzt fehlen?
Natürlich, das ist die gleiche Vorgehensweise, wie etwa mit dem angeblichen Genozid an den Herero. Auch das wird von der Politik funktionalisiert. Das, was offenbar wirklich immer funktioniert, ist, den Deutschen Schuldgefühle zu machen. So kann man die Untertanen am besten unter Kontrolle halten. Und manche Historikersagen: ‚Vom Genozid an den Herero zum Genozid an den Juden!‘ Das ist unverfroren, zumal es diesen Genozid an den Herero gar nicht gegeben hat. Da gibt es in unserem Buch einen hervorragenden Beitrag von Michael Klonovsky.
Untertitel Ihres Buches: „Wer schreibt unsere Geschichte?“ Da ist mir spontan zunächst einmal die Kirche eingefallen, die über Jahrhunderte hinweg Geschichte umgeschrieben hat. Und zwar auf brutale Art und Weise. Und insgesamt betrachtet ja wohl die Herrschenden?
Interessant ist ja die DDR-Historiografie. Die DDR hat behauptet, alle größeren Verbrechen der Deutschen wären der Bundesrepublik anzulasten. Und so haben Historiker dort auch gearbeitet, von dort stammt die Geschichte mit den Herero. Das wird dann von linken bundesdeutschen Historikern gern aufgegriffen und weitererzählt. Weil es ja immer darum geht, den Deutschen einzuimpfen, dass sie schuldig sind an allem Möglichen. Der Untertan soll ruhiggestellt werden, und meistens funktioniert das ja auch. Sie werden weithin geglaubt, solche Sachen.
Irgendwo in Dresden las ich an einer Wand in Bronzebuchstaben – ich glaube, es war am Zwingereingang – Kritik am alliierten Bombenterror. Wortwörtlich „Bombenterror“. War die Geschichtsschreibung da mal ein bisschen genauer?
Im Buch gibt es einen erschreckenden und informativen Beitrag über das sogenannte „Morale Bombing“. Viele glauben in Deutschland, die Royal Air Force habe für Coventry Vergeltung geübt. Dem ist aber nicht so. Das Ruhrgebiet wurde vor Coventry angeflogen. Das ist das eine. Und das Zweite ist: Die Briten haben gelernt, wie man Kolonialvölker am effektivsten bestraft und unterdrückt, nämlich von oben. „Morale Bombing“, also Terror, der die Widerstandskraft der Bevölkerung zermürben soll. Und das haben sie auf Deutschland übertragen. Die Deutschen galten ihnen ja auch als „Barbaren“.
Und der Gedanke dahinter war natürlich auch: Wenn dann mal Schluss ist mit dem Krieg, haben die Deutschen was gelernt, nämlich sich besser vorher zu unterwerfen. Das ist ein ganz großartiger und ein ganz deprimierender Beitrag von von Rainer F. Schmidt
In Diktaturen ist das Volk immer das Opfer. Warum werden die Deutschen mit Blick auf die Nazi-Diktatur durchweg als Täter betrachtet?
Der Clou bei den Nazis war, die Bevölkerung als Geisel zu nehmen. Sie haben alle mitgetan. Dafür wurde rechtzeitig gesorgt.
Über Bund Deutscher Mädel, Hitlerjugend, Mutterkreuz usw.?
Ja, natürlich. Und über eine angebliche Begeisterung des Volkes für die Leistung des Führers. Das war ganz wichtig, dass man die Deutschen in Geiselhaft genommen hat.
Jetzt geht es in „Deutsche Legenden“ auch um Identifikation mit der Nation. Aber entsteht so ein Zugehörigkeitsgefühl über die erhabene Erzählung und über Identifikationsfiguren? Ich habe immer das größte Gefühl von Identifikation beim Gespräch über den Gartenzaun oder am Grill mit dem Nachbarn.
Ich glaube, das Thema ist gar nicht, dass man eine gute Geschichte braucht, um ein Nationalgefühl zu haben. Aber man kriegt kein Nationalgefühl oder kein Zusammengehörigkeitsgefühl hin, wenn nur negative Geschichten erzählt werden. Wie soll ich mich denn mit diesem Land identifizieren – also über mein Dorf hinaus, mit dem ich mich sehr identifiziere – wenn dessen Geschichte nur voller Gräuel ist? Und wie kann man von Menschen erwarten, dass sie sich in diese Art von Nationalgeschichte integrieren? Das ist schlechterdings unmöglich. Und das ist der Zielpunkt des Buchs.
Kanzler Helmut Kohl wollte die deutsche Düsternis quasi in die EU überführen und dort auflösen. War dieses EU-Modell auch der Versuch, die kontaminierten Deutschen in etwas Größerem aufgehen zu lassen, ohne dass wir ganz verschwinden?
Na klar, das war ein Versuch, der hat ja auch eine Zeitlang geklappt. Bei den Deutschen. Doch stellen Sie sich mal vor, diese sturen Italiener, die wollen Italiener bleiben. Das geht doch gar nicht. Die dummen Franzosen wollen Franzosen sein. Furchtbar. Nur die Deutschen sind brav (lacht).
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Nun haben wir ja beide ein großes linkes Herz. Und der Traum der Linken war ja immer, die Zugehörigkeit über das Klassenbewusstsein zu generieren und nicht mehr über Nation. Warum hat das denn nicht geklappt?
Darf ich da lachen (lacht)? Die SPD verrät ihre ursprüngliche Klientel auf eine Weise, dass es einem schon fast peinlich ist. Da wird eine woke Ideologie gepriesen. Dafür hat der gehalts- oder lohnarbeitende Mensch aber überhaupt keine Zeit, sich mit diesem ganzen Krempel zu befassen. Mit der bunten Vielfalt. Wie lächerlich kann man nur sein.
Ich bin mal mit einem Raddampfer der Weißen Flotte die Elbe runtergefahren von Dresden nach Bad Schandau. Es war fast windstill, und dann sah man diese Grillrauchfahnen senkrecht stehen. Alles still bis auf das entfernte Klackern von anstoßenden Bierflaschen. Das hat sich bei mir eingebrannt. Ein intensivster Moment der Identifikation mit dem eigenen Land.
Ich habe nach dem Fall der Mauer in Mecklenburg bei einer Zeitung mitgearbeitet. Die hieß „Mecklenburger Aufbruch“, gegründet von Regina Marquard., und die sagte immer: Die große Freundschaft, die enge Nachbarschaft, das Zutrauen zueinander war weg, als man einander nicht mehr so dringend brauchte.
Aber das wiederum führt mich wieder zurück zur Arbeiterklasse, wo das sich gegenseitig Brauchen dringlicher ist: Gibt es klassenbedingt in einer Nation auch unterschiedliche Zugehörigkeitsgefühle? Arbeiter, Bildungsbürger usw.? Gibt es unterschiedliche Hautschichten in einer Nation, die den Körper insgesamt zusammenhalten?
Ich weiß es nicht. Ich denke nur immer, wer keine Zeit hat für diesen ganzen Quatsch, den etwa die SPD absondert, das sind die Leute, die arbeiten gehen. Ich wohne auf dem Dorf, und das interessiert die alles null. Das geht denen so am Besagtem vorbei. Und ich verstehe nicht, warum ein halbwegs kluger Sozialdemokrat nicht verstehen kann, dass das keine Themen sind, die die Masse der deutschen Bürger und Arbeiter und Lohnabhängigen interessiert.
Es hat vielleicht mit den modernen Arbeitsplätzen zu tun, dass, wer am Computer arbeitet, in der Zeit, in welcher man auf der Baustelle mal kurz eine Kippe raucht und in den Himmel schaut, sich am Schreibtisch ins Internet flüchtet? Eine Studie hatte damals festgestellt, dass Long Covid häufiger Büroarbeiter befällt.
(Lacht) Glaube ich unbesehen. Ich habe ja diese ganze Geschichte von vornherein nicht geglaubt. Ich bin noch ungeimpft und fand das immer sehr interessant, wenn dann jemand sagte: Ja, wenn ich nicht geimpft gewesen wäre, wäre der Verlauf viel schlimmer gewesen. Meine Güte …
Wollen Sie nicht in unseren Club eintreten: „Wallasch und Matussek“? Wir messen immer Blutdruck und teilen uns die Ergebnisse mit. Das macht viel Freude. Haben Sie auch schon so ein Messgerät am Schreibtisch?
Mein Freund benutzt das Messgerät. Ich weigere mich, das zu benutzen. Also auf Ihre Frage: Nein (lacht) bitte noch nicht.
Wie kam denn die Auswahl der Autoren zustande – diese glorreichen Sieben?
Fundstücke. Ich habe gesucht und habe gefunden.
Aber die Zahl Sieben war Zufall?
Ich habe im Nebenfach Geschichte studiert. Es ist ja nicht so, dass mir diese Themen völlig fremd waren. Und ich habe Leute gesucht, die dazu etwas zu sagen haben. Und manches hat mich überrascht. Also zum Beispiel der Beitrag über den Ersten Weltkrieg. Wer war schuld?
Was macht das Buchhaus Loschwitz als Verlagsort aus? Warum dort?
Weil Susi Dagen sofort begeistert war von der Idee. Dann ging das ganz schnell.
Warum muss denn 2025 der Bombenterror noch mal neu aufgerollt werden und auch noch das Gedenken an Coventry irgendwie in Frage gestellt werden?
Mich hat das immer irritiert. Ein Land, das kein Mitleid mit seinen eigenen Toten hat, dem traue ich nicht über den Weg. Man habe Nazideutschland nur dadurch niederringen können, dass man die Zivilbevölkerung bombardiert hat, heißt es immer wiederDas stimmt einfach nicht, es wurde ja noch bis zum Mai 1945 weiter bombardiert, als längst klar war, dass Deutschland verloren hatte. Ich fand es schon immer eigenartig, dass man in Deutschland Churchill dankt dafür. Das würden selbst die Briten nicht sagen. Die wissen, dass ihre Politiker keine Engel waren.
Danke für das Gespräch!
Hier geht’s zum Buch:
Bestellen per E-Mail: buchhaus_loschwitz@t-online.de
Telefonisch: 0351-268 5275
https://kulturhaus-loschwitz.de/edition-buchhaus/edition-buchhaus-loschwitz/
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Kommentar von T S
Die Klärung historischer Tatsachen - von gesinnungsbesserwisserischen in diffamatorischer Absicht als "Geschichtsrevisionismus" bezeichnet - ist nach wie vor erst am Anfang, obwohl es ohne eine solche nie wirklich die so oft bemühte "historische Aufarbeitung" geben kann.
Um zu sehen wie erfolgreich die Strategie "die Bevölkerung als Geisel zu nehmen" funktioniert muß man nicht in Großvaters Zeit zurückgehen, es reicht auch schon das Geschehen der letzten 5 Jahre.
Wenn Frau Stephan nun noch erkennt daß es korrekterweise "Unkontaminiert" heißt ist auch da die nächste Stufe des Verstehens erreicht.
Lobenswert der wiederholte Blick auf die Wahrnehmung aus dem Ausland - denn erst in Verbindung mit der Perspektive der Außensicht ergibt sich ein schlüssiges Gesamtbild.
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Kommentar von Heidi Thiemann
Wird bei nächster Gelegenheit bestellt. Bin sehr gespannt. Habe immer gerne ihre Artikel gelesen, Ende 80iger das erste Buch "Weiterhin unbeständig und kühl,"das ich toll fand. In den 80igern erlebt in Bonn in meinen Medienanfängen im Pressehaus I/Tulpenfeld (GA, Frz TV),bei PK s oder im Bundeshaus. Welch schöne, einmalige Bonner -Repuplik- Zeiten vs später Berlin..
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Kommentar von Carl Peter
Ich bin immer gespannt, Texte von Frau Stephan zu lesen, manchmal auch angespannt.
Meine Frau und ich haben sie im Coronawahn gleich zu unserer Hausschreiberin bestellt - so kanns gehen, wenn sich öffentlich gemacht wird, und alle möglichen Leute sich um einen kümmern, aber wir haben ihre Bücher stets pfleglich behandelt, und bei unserer Wahnflucht aus Berlin war sie bei unserer Ankunft auf dem Land mit ihren Texten extrem behilflich.
Vorallem haben wir verstanden, warum man in der Stadt topft und auf dem Land wurzelt - zudem einem der gemietete Topf garnicht gehört und der dann beim sich umtopfen wie neu zu sein hat, und selbst wenn man ihn kauft, steht er dann dicht an dicht im mehrstöckigen Regal und anonymer Eifersüchtelei missgünstiger Nachbarn.
Fatal bei unserer Flucht war, wir kamen ohne Wurzelballen und mussten als städtische und gestresste, topflose Setzlinge darauf hoffen, in ländlicher Erde anzugehen - und wir hatten Glück im Unglück.
Sie waren alle im Coronawahn, und wie Zombies unter Zombies fielen wir nicht besonders auf - wir hatten auch mit unserer Wurzelarbeit mehr als genug zu tun, das Lieb Vaterland magst ruhig sein, störte uns nicht besonders, ausser der Baumarkt war zu.
Als Selbermacher waren wir schnell online, je mehr offline erstarb und bei Bedarf gab es sogar teils maskenlose Handwerker mit gewerblichen Zugang zu Allem.
Dann kam die Geisel der Genspritze und sie wurden alle komisch - wir hatten dafür keine Zeit und wirkten wie vergessene Geiseln, derer man nicht so recht habhaft wurde.
Nun sind wir halt da, und die öffentlich-rechtliche Geschichtsschreibung ist an uns vorbeigeschrieben - zu ihrem eigenen Nachteil, wie sich immer mehr herausstellt.
Wir wissen aber auch, dass es immer falsch ist, auf dem Sofa sitzen zu bleiben, bis es einem den Arsch versengt.
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Kommentar von Edlosi
Sehr gut, dass Sie diesen Text, das Gespräch mit Frau Cora Stephan veröffentlichen, Wahrheit, Realität, Tatsache- ist immer wichtig.