Supergau: Ukrainischer Präsident für überragende schauspielerische Leistung ausgezeichnet

Sean Penn ehrt Wolodymyr Selenskyj mit dem Oscar und erweist ihm damit einen Bärendienst

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Durch den Krieg veränderte sich schlagartig die Bedeutung dieses Projektes. Vergleichbar vielleicht mit diesem französischen Filmteam, das sich in New York aufhält, um eine länger geplante Dokumentation über die New Yorker Feuerwehr zu drehen.© Quelle: Instagram Selinskij

Mir brennt das Herz, es tut mir in der Seele weh, aber es ist notwendig, erzählt zu werden: Dieser wunderbare US-amerikanische, nie älter werdende Charakterschauspieler Sean Penn hat sich in Kiew gerade zum Volldeppen gemacht. Und "seinen" Präsidenten gleich mit.

Sean Penn, auf Augenhöhe befreundet mit Clint Eastwood, Sargträger bei Charles Bukowski, Ex-Ehemann von Pop-Diva Madonna, irgendwann einmal mit den wunderbaren deutschen Winkelmann-Schwestern gearbeitet, dieser sensible, dieser scheue und gleichermaßen so omnipräsente Sean Penn hat sich in der Ukraine gerade ganz furchtbar zum Deppen gemacht.

Was ist passiert? Der Schauspieler und Regisseur ist mit Ausbruch des Krieges samt Filmteam in die Ukraine gereist und hat sich dort für eine Dokumentation „embedden“ lassen.

Den richtigen Riecher kann man ihm hier zweifellos noch attestieren. So eine Dokumentation hat in den kommenden Jahren das Potenzial zum Superbestseller und Sean Penn wagt sich nah heran, wo es knallt und zischt.

Zeitweilig erwog er sogar, selbst die Waffe gegen russische Soldaten zu erheben. Nein, hier ist sicher kein Journalist unterwegs, hier bekennt sich jemand zu Blau-Gelb, hier verteidigt Penn die Angegriffenen :

"Gerade war ich noch an einer Tankstelle in Brentwood (L.A.) und nun denke ich daran, in den Krieg gegen Russland zu ziehen. Was zum Teufel ist hier los?"

Aber es ging Sean Penn gar nicht darum, Schützengraben-Horror abzubilden, sich so nah wie möglich anzupirschen. Der 1960 geborene Schauspieler arbeitete schon Jahre vor dem Angriff an einem filmischen Porträt über Wolodymyr Selenskyj.

Durch den Krieg veränderte sich schlagartig die Bedeutung dieses Projektes. Vergleichbar vielleicht mit diesem französischen Filmteam, das sich 9/11 in New York aufhält, um eine länger geplante Dokumentation über die New Yorker Feuerwehr zu drehen.

Und plötzlich krachen die Flugzeuge in die Zwillingstürme, das Team dreht weiter, die Protagonisten vor der Kamera werden zu Superhelden, der Soundtrack heißt „Only Time“ von Enya und ist jetzt sogar vorstellbar für Selensikyj im Army-Shirt im Kiewer Underground, verfolgt von Sean Penn im weißen James-Dean-T-Shirt, darunter die aufgepumpten Oberarme.

Das ist die Ausgangssituation. Kommen wir zum Desaster. Das hat etwas mit einem nackten vergoldeten Mann namens Oscar zu tun. Der wurde Sean Penn von der Academy verliehen und gilt als höchste Auszeichnung in der Filmbranche überhaupt.

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Sean Penn bekam ihn sogar zwei Mal als bester Hauptdarsteller. In Mystic River (2004) und in Milk (2009). Nun muss sich Sean Penn für die Inszenierung einer großen Geste wohl überlegt haben, was ihm das Liebste und Bedeutsamste im Leben überhaupt ist, dass er aus den Händen geben kann.

Er entschied sich für einen seiner Oscars. Und für eine symbolische Geste: Denn weil der Oscar weder verkauft noch verschenkt werden darf – Preisträger verpflichten sich nach Erhalt der Trophäe vertraglich diese Regelung einzuhalten –, gab Sean Penn einen seiner Oscars an den ukrainischen Präsidenten weiter als eine Art Kriegsgewinn-Maskottchen, Wolodymyr Selenskyj möge ihm die Statue nach gewonnenem Krieg einfach wieder zurückgeben.

Was Sean Penn dabei aber ganz offensichtlich nicht bedacht hatte, war die verheerende Botschaft dieser Liebesgabe: Wer den ukrainischen Präsidenten in der Vergangenheit diffamieren wollte, der tat das vielfach mit dessen beruflicher Vergangenheit als Schauspieler und Komiker.

Der Vorwurf, nur der Schauspieler, nur die Marionette der USA zu sein, wird ihm immer wieder angeheftet. Selbstredend auch von russisch-propagandistischer Seite noch befeuert, so eine Steilvorlage bleibt im Krieg nicht liegen.

Das ist die Ausgangssituation, in die mitten hinein US-Schauspieler Sean Penn gewissermaßen dem Schauspielkollegen einen Oscar überreicht.

Aber für welche schauspielerische Leistung? Und auch jeder weitere Gedanke an diese Szene endet verheerend, spricht man von einem Bärendienst, den Penn seinem Kumpel Selenskyj – wie ein Kumpel inszeniert sich Penn hier – erweist. Denn wer hier von einem „Bärendienst“ spricht, der ist ruckzuck beim russischen Bären, die Honigfalle zieht sich zu.

Die wichtigste schauspielerische Auszeichnung Made in USA soll nun, so der Begleittext der Veröffentlichung dazu auf Instagram, "Symbol des Glaubens an den Sieg" sein, man ist hier geneigt aufzuspringen und den „Star-Spangled Banner“ zu intonieren, wenn es nicht so tragisch dämlich von Penn wäre.

Kaum noch erwähnenswert, dass Selenskyj dem US-Schauspieler seinerseits einen Ukrainischen Verdienstorden an die Brust hängte bzw. umhängte.

Ja doch, Sean Penn hatte den richtigen Riecher, er war so dicht dran an einer der Schlüsselfiguren der Gegenwart. Dann hat er leider alles so furchtbar vergeigt, als der den Präsidenten mit der höchsten Hollywood-Auszeichnung kompromittierte: „When you win, bring it back tu Malibu.“

„No Sean, please, that is yours!“, ziert sich da noch ein wenig der überraschte oder Überraschung schauspielernde, als bester Hauptdarsteller der USA ausgezeichnete Präsident der Ukraine, bevor er beherzt nach dem vergoldeten Nackedei greift. Wer hier einen großen Moment echter Fremdscham verspürt, der darf seinen Gefühlen vertrauen. Diesen Film auf dem Instagram-Account des ukrainischen Präsidenten sollten Sie sich nicht entgehen lassen.

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