„Was wir hier erleben, das kennen wir im Osten schon. Das steht der BRD erst noch bevor“

Uwe Steimle umjubelt und ausverkauft in Halle – Im Exklusiv-Interview

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

„Was mich am meisten beeindruckt hat, war, dass ich am Anfang begrüßt wurde mit zwei Minuten ‚Uwe‘-Rufen, da läuft einem eine Gänsehaut über den Rücken, weil man spürt, was man den Leuten wert ist.“© Quelle: YouTube / Palais Records

Uwe Steimle im Interview mit alexander-wallasch.de nach seinem gefeierten Auftritt in Halle über die öffentlich-rechtlichen Nachrichten: „Mich erinnert die Frau Marionetta Slomka an Karl Eduard von Schnitzler. Das ist Staatspropaganda ersten Ranges. Und es ist eine Unverschämtheit, dass wir diese Gehirnwäsche auch noch selber finanzieren müssen.“

Uwe Steimle tritt in Halle vor ausverkauftem Haus auf, vor der Tür schimpfen ein paar Anhänger der Antifa, im Steintor-Varieté gibt es minutenlang „Uwe, Uwe“-Sprechchöre zur Begrüßung. Wir erreichen den Kabarettisten am Morgen nach seinem großen Erfolg in Halle:


Alexander Wallasch: Erst einmal Glückwunsch zum gestrigen Auftritt in Halle: Alles Gute! Ich habe vorhin verzweifelt versucht, eine Rezension zu finden. Man liest ja eigentlich nur über die Protestveranstaltung am Rande …

Uwe Steimle: Oh ja.

Alexander Wallasch: Waren Sie denn zufrieden? Es war ja ausverkauft …

Uwe Steimle: Zufrieden ist gar kein Ausdruck. Ich bin glücklich, dass ich das machen durfte. Es war ausverkauft in diesen Zeiten. Und es war eine gute Stunde für die Demokratie in unserem Land, weil es dann doch möglich war, dass wir alle in den Dialog getreten sind. Und Streit, Auseinandersetzungen gehören natürlich dazu.

Nur wenn es dann Zettel gibt, die vorher verteilt wurden an Leute, die gerne in die Vorstellung wollten, wo dann sozusagen das Ministerium für Familie und Soziales in Sachsen-Anhalt die Absetzung meiner Person fordert. Da muss man ja sagen, in welcher Welt leben wir? Das ist ja, wie als würde ich mein eigenes Berufsverbot mitfinanzieren.

Alexander Wallasch: Aber die Karten waren doch schon mal verschoben vom Mai?

Uwe Steimle: Das ist ja alles coronabedingt. Ja, und jetzt ist es pandemiebedingt. Und es ist ukrainebedingt und irgendwann ist es bedingt, bedingt ...

Alexander Wallasch: Und dann ist es irgendwann auch O gegen O – also Oktober bis Ostern – bedingt.

Uwe Steimle: Ja, Null Null, da ging es früher zur Toilette.

Alexander Wallasch: Dadurch, dass es ausverkauft war, gehe ich mal davon aus, dass hauptsächlich Fans da waren. Oder hatten Sie auch Störer in der Veranstaltung sitzen?

Uwe Steimle: Nein, wir hatten nicht einen Störer drin. Großes Lob vor allem an die Sicherheitskräfte, die ja mit Leib und Leben ihrer Person dafür hergehalten haben, dass das friedlich stattfinden konnte.

Und was mich am meisten beeindruckt hat, war, dass ich am Anfang begrüßt wurde mit zwei Minuten "Uwe"-Rufen, da läuft einem eine Gänsehaut über den Rücken, weil man natürlich auch spürt, was man den Leuten wert ist.

Aber es geht ja in dem Sinne gar nicht um mich. Es geht darum, dass kritische Töne, das Kabarett, das freie Kunst in diesem Land eine Möglichkeit hat, Gehör zu finden. Und Satire. Bei Satire gilt: Wer sich betroffen fühlt, ist gemeint. Ende der Debatte.

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Alexander Wallasch: Am 24. Juni folgt ein Termin im thüringischen Hildburghausen. Überall sehe ich Teile einer großen Fan-Gemeinde ...

Uwe Steimle: Wir müssen erst mal die ganzen Termine der letzten zwei Jahre abarbeiten. Und natürlich: Wir nehmen alle mit, ob Westen, Osten, Norden, Süden – nicht die Spaltung weiter vorantreiben! Wir müssen in der Gemeinschaft bleiben, wir müssen im Gespräch bleiben. Und wir müssen mit weiten Herzen für das Licht sorgen. Darum geht's.

Alexander Wallasch: Was genau bedeutet "FeinKost" für den Zuschauer, was kann er in Ihrem Programm erwarten?

Uwe Steimle: Es war ja eine Nachhole-Veranstaltung. Normalerweise ist FeinKost, wie man schön hört, eine feine Trennung zwischen Fein und Ost. Da habe ich das "K" in die Mitte geführt, natürlich vom Konsum.

Aber egal ob im Sozialismus oder Kommunismus. Wobei das, was wir hier erleben, das hat ja mit Kapitalismus gar nichts mehr zu tun. Das ist Kommunismus in Grün. Es ist doch ganz einfach: Wenn die Parameter nicht mehr stimmen, die ökonomischen, dann geht eine Gesellschaft krachen. Und das, was wir hier erleben, das kennen wir im Osten schon. Und das steht der BRD erst noch bevor.

Alexander Wallasch: Welche Parameter sind das konkret, die schon krachen gegangen sind?

Uwe Steimle: Das kann ich Ihnen sagen: Die ökonomischen Parameter sind die Energiesparpreise, jetzt kaufen wir das Fracking-Gas, wir werden eingeschworen auf den Krieg. Dabei weiß jeder von uns letzten Endes, dass die Politiker die Spaßabteilung der Rüstungsindustrie sind.

Wir stehen kurz vorm dritten Weltkrieg. Vielleicht sind wir sogar schon drin. Jeder soll jetzt seine Stimme erheben gegen den Krieg, darum geht's.

Alexander Wallasch: Da staune ich. Denn der Verleger vom Internetportal TheEuropean saß bei Maischberger und sagte, Putin hätte den Krieg schon gewonnen. Eigentlich wäre alles schon gelaufen.

Uwe Steimle: Das ist ganz schlimm. Egal ob hier jemand den Krieg gewonnen hat, Krieg ist immer scheiße. Ich stehe für den Frieden. Ich sage aber auch nicht, dass nur Putin der Böse ist. Wir müssen im Gespräch bleiben. Und ich finde es unmöglich, dass in einer Demokratie wie der, die wir in der BRD haben, gesagt werden darf: Mit denen reden wir nicht.

Da stürzen für mich auch Parameter zusammen, das kenne ich aus der DDR: Die Ausgrenzung, diese Stigmatisierung, dieses Bloßstellen, an den Pranger nageln. Früher hieß so was im Mittelalter: Der ist vogelfrei!

Alexander Wallasch: Kritiker würden hier gleich wieder sagen: Ja, man kann doch die DDR nicht mit den jetzigen Zuständen vergleichen. Mauerschützen, Stasi, Bautzen usw. Was würden Sie da antworten?

Uwe Steimle: Ich würde mit Bärbel Bohley antworten. Die hat diese mahnenden Worte schon Anfang der 90er Jahre gesagt: Es wird wiederkommen. Man wird die Strukturen der Staatssicherheit genauestens studieren und sie anwenden für eine freiheitlich friedlich demokratische Gesellschaftsordnung und wird diese adaptieren. Sie werden viel feiner sein.

Man muss niemand in Lager sperren. Das ist ja das, worüber wir hier gerade gesprochen haben. Man kann die Leute auf ganz andere Art und Weise fertig machen. Und da arbeiten natürlich die Staatsmedien zusammen mit den staatlichen Organen. Also das, was wir hier erleben, das ist die Fortführung der DDR mit den gleichen Mitteln.

Alexander Wallasch: Man spricht ja immer von diesem sogenannten polit-medialen Komplex, das ist ja auch so ein Schlagwort geworden. Kann das sein, dass die Medien die Politik mittlerweile vor sich hertreiben?

Uwe Steimle: Sie beantworten die Frage ja selber. Also wenn Marionetta Slomka im ZDF die Politiker auffordert, dass sie nun endlich schwere Waffen zu liefern haben, da kann ich nur sagen, das ist nicht ihre Aufgabe. Sie hat bestenfalls die Sachen zu kommentieren und die Nachrichten zu verlesen.

Mich erinnert die Frau an Karl-Eduard von Schnitzler. Das ist Staatspropaganda ersten Ranges. Und es ist eine Unverschämtheit, dass wir diese Gehirnwäsche auch noch selber finanzieren müssen.

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Alexander Wallasch: Ich habe bei Twitter eine Umfrage gemacht, wer überhaupt noch öffentlich-rechtliche Medien schaut. Da waren es tatsächlich über neunzig Prozent, die es überhaupt nimmer einschalten …

Uwe Steimle: Ich gucke es auf jeden Fall, weil sonst hätte ich kein Futter fürs Kabarett. Nochmal, ich sage als Kabarettist: Ich trete ein dafür, dass wir im Dialog bleiben. Meine Aufgabe ist es nicht zu hetzen, sondern Brücken zu bauen, immer dafür zu werben, im Gespräch zu bleiben.

Und wenn der andere sagt: Wir wollen dich nicht, wir wollen uns mit dir nicht unterhalten, dann möchte ich umso friedlicher sagen: Doch ich möchte mich mit dir unterhalten, weil, wo soll das enden?

Alexander Wallasch: Eine Frage aus westdeutscher Perspektive: Gab es eigentlich zu DDR-Zeiten irgendwo ein vernünftiges politisches Kabarett oder war das immer hinter verschlossenen Türen, wenn man mal in der Familie ein bisschen Kabarett gemacht hat?

Uwe Steimle: Es gab hervorragendes politisches Kabarett. Ich sage nur die “Herkuleskeule” in Dresden mit Wolfgang Schaller oder an der “Diestel” mit Peter Ensikat. Das war hervorragendes politisches Kabarett. Das beste Stück, weswegen ich letzten Endes auch zum Kabarett gegangen bin, was ich sehen durfte '89, ist "Überlebenszeit", das spielte in einem Wohncontainer. Wir sind an demselben Punkt.

Alexander Wallasch: Ist es so, dass der politische Kabarettist gerade in solchen Zeiten eigentlich seine besten Zeiten hat? Oder war das DDR-Kabarett, von dem Sie gerade sprachen, das politische, noch viel feiner und filigraner, weil es so aufpassen musste?

Uwe Steimle: Also immer, wenn ein System zu Ende geht, dann geht es ja um Schlüpper. Also bei der Bundeswehr waren die Schlüpper alle, in der DDR waren die Schlüpper alle, die Unterhosen.

Als ich in Halle aufgetreten bin - nur um ein Beispiel zu geben - hätte ich auf den Tag des Volksaufstandes anspielen können. 17. Juni, der war ja gestern. Da ich aber gerne in Bildern arbeite und auf die Kraft des Zuschauers vertraue - ich bin mit Pittiplatsch aufgetreten. Pittiplatsch erblickte vor 60 Jahren das Licht der Welt im Fernsehapparat.

Ich habe nur die Pittiplatsch-Schallplatte hochgehoben und habe gesagt: ‘Denkt dran, heute ist der 17. Juni, vor 60 Jahren wurde dieser kleine Kobold vom Fernsehbildschirm verbannt. Aber er kam wieder.’ Und damit ist alles gesagt. Und die Leute verstehen alles. Die sind genau wieder an dem Punkt. Sie verstehen die doppelte Botschaft, sie verstehen die zweite Metapher, sie lernen wieder dialektisch zu denken. Und das finde ich großartig.

Alexander Wallasch: Pittiplatsch kenne ich natürlich auch, aber immer nur, weil das das schönere Sandmännchen war. Wir haben ja grundsätzlich das DDR-Sandmännchen geguckt … Aber diese Geschichten kennen sie ja alle schon, diese westdeutschen Geschichten ohne eigene DDR-Vergangenheit (lacht).

Uwe Steimle: (lacht nicht) Wir dürfen eben, ich sage es noch mal, vor allen Dingen nicht die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben, sondern wir müssen in der Mitte bleiben. Wir müssen dafür werben, dass die Ränder nicht gestärkt werden und sich radikalisieren. Und wir müssen darauf achten, dass wir als Nation, als Volk zusammenbleiben. Das ist das Wichtigste.

Alexander Wallasch: Wollen Sie mir vielleicht noch etwas zu Halle sagen? Zu den Protesten dort vor der Tür?

Uwe Steimle: Kann ich nicht sagen, weil ich sie nicht erlebt habe. Aber jetzt bitte nicht böse sein. Ich bin nach der Veranstaltung gestern platt. Ich kann nicht mehr.

Alexander Wallasch: Wollen wir noch nach Hildburghausen einladen?

Uwe Steimle: Ich freue mich über jeden der kommt. Und ich sage aber auch immer, wenn einer in der Kirche sitzt, wird gepredigt.

Alexander Wallasch: Dann vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Uwe Steimle: Frieden. Schalom, Ciao. Tschüss.

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