"Wir haben ein massives Problem mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit"

Deutschland darf nicht zu einem Failed State werden

von Alexander Wallasch (Kommentare: 8)

Kritik an der Ukrainepolitik der Bundesregierung wird kaum mehr sachlich beantwortet“© Quelle: privat

Hans-Georg Maaßen über den Verfassungsschutz, das Verhältnis zu den USA, den Start der neuen Bundesregierung und über Nord Stream 2.

Der Verfassungsschutz erklärte gegenüber dem Verwaltungsgericht in Köln, dass die AfD vorerst nicht mehr als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft wird. Ist das eine Niederlage des Amts?

Nein, es ist keine Niederlage des Amts. Ich gehe davon aus, dass es so verlaufen war, dass im einstweiligen Rechtsschutzverfahren das Verwaltungsgericht natürlich prüfen musste, wie das Verfahren möglicherweise ausgeht. Aber auch, in welcher Hinsicht der Schaden höher ist, wenn es im einstweiligen Rechtsschutz entscheidet: Wenn es stattgibt oder wenn es den Antrag ablehnt. Und jetzt hat es da wahrscheinlich dem Verfassungsschutz einen Hinweis gegeben, dass es möglicherweise zugunsten der AfD im einstweiligen Rechtsschutz entscheiden wird. Und deswegen hat der Verfassungsschutz dann auch eine Stillhalteerklärung abgegeben.

Sie sind als ehemaliger Chef des Bundesverfassungsschutzes ein viel gefragter Gesprächspartner der Medien. Welche Einschränkungen gibt es da für Sie?

Ich halte mich an meine Grenzen. Ich verrate keine Geheimnisse und sage nichts über die Struktur, den Aufbau, die Arbeitstechniken und über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Einzelnen, was nicht allgemein bekannt ist. Ich äußere mich politisch. Und eine politische Äußerung über den Verfassungsschutz, die ich jetzt als Vorsitzender einer Partei treffe, ist insoweit nicht zu beanstanden.

Der Chef des Geheimdienstausschusses des US-Senats forderte dazu auf, die Zusammenarbeit mit dem deutschen Verfassungsschutz einzustellen oder einzuschränken. Was würde das für die Arbeit des Verfassungsschutzes bedeuten?

Es ist allgemein bekannt, dass wir in großen Teilen von amerikanischen Informationen abhängig sind. Insbesondere was den islamistischen Terrorismus angeht. Wenn jetzt ein wichtiger US-Senator ankündigt – und er ist der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses –, dass die Zusammenarbeit mit Deutschland wegen der Menschenrechtssituation in einigen Bereichen eingeschränkt werden soll, dann hat das erhebliche Auswirkungen auf die Arbeit des Verfassungsschutzes und auch des Bundesnachrichtendienstes.

Und wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass die Amerikaner die politische Situation, gerade was die Menschenrechtslage in Deutschland angeht, mit hoher Sorge sehen. Und ich befürchte, die werden noch weitere Schritte gehen, wenn Deutschland hier nicht wieder auf den Weg zurückkehrt, die westlichen Werte einzuhalten, nämlich Meinungsfreiheit und die Bekämpfung von politischer Verfolgung.

Staunen Sie über das neue Interesse der Amerikaner an den Vorgängen in Deutschland? Man hatte ja früher immer so den Eindruck, so richtig interessieren tun sie sich nicht für Deutschland.

Das ist richtig. Aber früher musste man sich nicht so für die innenpolitische Lage in Deutschland interessieren, weil die Deutschen die westlichen Werte geteilt haben. Und dazu zählt vor allem das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit und der Schutz vor politischer Verfolgung. Wir haben in Deutschland ein massives Problem mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit, nicht nur durch den Staat, sondern auch durch NGOs, deren Handeln vom Staat entweder gefördert oder geduldet wird.

Die Einschränkung von Meinungsfreiheit geht immer einher mit repressiven Maßnahmen, also Formen politischer Verfolgung, denn nur dadurch kann verhindert werden, dass „falsche“ Meinungen geäußert werden. Allein die Vorstellung der regierenden Parteien, dass staatliche Stellen entscheiden dürfen, was wahr und was unwahr ist, steht nicht mehr im Einklang mit den Grundvorstellungen von Menschenrechten und den westlichen Werten. Und diese westlichen Werte haben die Amerikaner am 8. Mai 1945 mit nach Deutschland getragen.

Vor dem Hintergrund sind die USA natürlich hoch besorgt, zu sehen, was aus Deutschland in den letzten Jahren geworden ist. Und der stellvertretende Außenminister der USA, Landau, dessen Vater vor den Nazis geflohen ist, sagte ganz klar: Sein Vater sei nicht geflohen wegen eines Zuviels an Meinungsfreiheit in Deutschland, sondern wegen Einschränkung der Meinungsfreiheit und politischer Verfolgung von Leuten, die offen sagten, was Sache ist.

Das ist die politische Ebene. Aber auch die Medien werden mit Sorge betrachtet. Zuletzt hatte beispielsweise Justus Bender (FAZ) einen langen Artikel geschrieben über das böse Lachen der AfD. Also die Medien spielen da offensichtlich auch eine Rolle.

Die Medien spielen in Deutschland eine sehr große Rolle. Auch heute noch sind dies die klassischen Medien, weil sie immer noch eine sehr große Reichweite in die Mitte der Gesellschaft haben und diese Reichweite und diese Möglichkeiten auch zur politischen Propaganda nutzen. Das werfe ich gerade den klassischen bürgerlichen Medien vor, die sich während der Merkel-Zeit sehr weit von ihrer eigentlichen liberal-konservativen Kundschaft entfernt haben und linke Propaganda betreiben.

Ist die AfD hier nicht das falsche Objekt der Beobachtung? Aber wie soll ein weisungsgebundener Verfassungsschutz die Regierung beobachten?

Das war ja die zentrale Frage in Thüringen, als Ramelow, der jahrzehntelang vom Verfassungsschutz als Linksextremist wegen seiner Mitgliedschaft in der PDS und der Linken beobachtet wurde, plötzlich Ministerpräsident wurde und den umstrittenen Herrn Kramer zum Verfassungsschutzpräsidenten in Thüringen machte. Er hatte den „Kampf gegen Rechts“ ausgerufen, nämlich gegen alle Kritiker linker Positionen.

Das ist ein Missbrauch des Verfassungsschutzes. Und das nahm ich unter Ministerin Faeser und dem Behördenleiter Haldenwang auch auf Bundesebene wahr. Es erweckt den Eindruck, dass Linksradikale den Verfassungsschutz und die Sicherheitsbehörden gegen politische Gegner instrumentalisieren. Die Politiker, die den Verfassungsschutz instrumentalisieren, sind die eigentlichen Gegner unserer freiheitlichen Grundordnung.

Der Verfassungsschutz warnt vor Desinformation und behauptet, es sei von Russland aus das Narrativ verbreitet worden, „dass der Bundesregierung die Unterstützung der Ukraine vermeintlich wichtiger sei als die Belange und Sorgen der Bevölkerung in Deutschland“. Allerdings entsteht genau dieser Eindruck bisweilen. Wie kann man sich davor schützen, mit dieser Kritik plötzlich als Staatsfeind dazustehen?

Mein Eindruck ist, dass Kritik an der Ukrainepolitik der Bundesregierung kaum mehr sachlich beantwortet wird, sondern dass Kritiker unberechtigt als „Putinversteher“ oder als „Agent Moskaus“ diffamiert werden. Dadurch wird eine sachliche politische Diskussion verhindert. Dies ist eine Gefährdung unserer demokratischen Kultur.

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Nun mag es in Kriegszeiten andere Regeln geben, wenn ein Feind aggressiv und propagandistisch agiert. Aber wir sind noch nicht im Krieg.

Natürlich sind wir nicht im Krieg und es gibt auch kein Kriegsrecht in Deutschland, wonach der Verfassungsschutz Regierungskritiker beobachten darf.

Der neue Bundesinnenminister Dobrindt verschärfte sofort nach Amtsantritt das Grenzregime, was wiederum den Bundespolizeigewerkschaftsboss zu der Aussage veranlasste: „Es wird zu einer Wende in der Migrationspolitik kommen.“ Geben Sie Dobrindt eine Chance, dass er wirklich die illegale Migration beenden will?

Ich gebe ihm eine Chance, und ich finde es auch sehr gut, dass er bereits am ersten Tag entschieden hat, dass Asylsuchende aus sicheren Drittstaaten zurückgewiesen werden können. Ich kritisiere zwar, dass er aus einer Muss-Regelung eine Kann-Regelung gemacht und diese Regelung damit deutlich abgeschwächt hat, allerdings geht er in die richtige Richtung, und deswegen muss man ihn insoweit auch unterstützen.

Aber ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass Bundeskanzler Merz und auch Vertreter der SPD diesen Erlass so nicht mittragen. Merz sprach davon, dass es nur Zurückweisungen geben solle wie bei der Fußballeuropameisterschaft, was letztlich bedeutet, dass Asylsuchende gerade nicht zurückgewiesen werden. Auch die SPD ist dagegen. Das zeigt, dass es einen unausgesprochenen Konflikt innerhalb der Bundesregierung gibt zur Frage der Zurückweisung von Asylsuchenden. Ich wünsche Herrn Dobrindt im Interesse unseres Landes viel Erfolg bei der Durchsetzung seiner Position.

Gleichzeitig werden Stimmen laut, die der Schengen-Freizügigkeit hinterherjammern, weil es zu Staus an den Grenzen gekommen ist. Aber ist nicht jeder abgewiesene illegale Migrant ein potenzieller Bürgergeldempfänger weniger? Muss der Bürger auch mal aus seiner Komfortzone heraus?

Natürlich muss der Bürger aus seiner Komfortzone heraus. Das politische Establishment hat Deutschland in eine politische und wirtschaftliche sehr schwierige Situation hineinmanövriert. Wenn wir das Land wieder vom Kopf auf die Füße stellen wollen, was zwingend notwendig ist, damit Deutschland nicht zu einem Failed State wird, dann werden wir einiges verändern müssen, was zu Beginn nicht immer angenehm sein wird. Und wir werden bei Migranten, ihren Unterstützern und Profiteuren nicht auf Freude stoßen, wenn Asylsuchende an den Grenzen zurückgewiesen werden. Aber das muss man hinnehmen, weil es notwendig ist.

Und ich bin auch der festen Überzeugung: Wenn die Bundespolizei wirklich einige Wochen lang Zurückweisungen vornimmt, dann werden Schleuser ebenso wie die Außengrenzstaaten Deutschlands begreifen, dass Deutschland nicht mehr jeden Asylsuchenden aus jedem Staat der Welt aufnimmt.

Aktuell im Gespräch ist, dass US-Unternehmen Nord Stream 2 übernehmen sollen und Deutschland und Europa dann russisches Gas anbieten. Was spricht dafür, was dagegen und wer hat eigentlich die Pipeline gesprengt?

Zunächst zum letzten Teil der Frage. Ich halte es für eher wahrscheinlich, dass die Pipeline auch auf Betreiben unserer westlichen Partner unter der Regierung Biden gesprengt worden war. Jedenfalls, wenn ich außerhalb von Deutschland bin und mit Kollegen darüber rede, dann besteht dort einhellig die Auffassung, dass dies jedenfalls nicht von irgendwelchen unbekannten ukrainischen Nationalisten oder von Russland betrieben wurde, sondern von unseren „allerbesten Freunden“.

Dass die Bundesregierung dies einfach vertuscht und unter den Teppich kehrt, obwohl sie es eigentlich wissen muss, ist ein Skandal. Und damit delegitimiert sich die Bundesregierung selbst, jedenfalls die Bundesregierung von Olaf Scholz. Ob die neue Bundesregierung hier eine Aufklärung schafft, ob wir hier einen Untersuchungsausschuss bekommen, ist eine andere Frage.

Ich hoffe, dass das so sein wird. Dass die Nord Stream-Pipelines in Betrieb genommen werden sollen, kann ich nur begrüßen. Wir brauchen Gas, wir brauchen günstiges Gas, ansonsten sind wir auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Dass die Amerikaner das mit den Russen zusammen machen unter Ausschluss der Deutschen, ist natürlich auch ein Skandal und zeigt die Schwäche Deutschlands. Die Schwäche der SPD-Regierung unter Scholz, aber auch die Schwäche der CDU, die deutsche Interessen nicht durchsetzt.

Kann man es darauf runterbrechen, dass man sagt, solange die Amerikaner nicht dran mitverdienen, sind sie auf Krawall gebürstet? In dem Moment, wo Dollars auch in Richtung USA fließen, funktioniert es dann wieder?

So weit würde ich nicht gehen. Die Amerikaner sind sehr rational. Sie gehen da rein, wo sie Geld verdienen können. Und wenn die Deutschen nicht willens und auch nicht in der Lage sind, ihre eigenen Interessen zu vertreten, dann müssen sie halt zahlen.

Merz ist Bundeskanzler geworden. Großer Bahnhof in Kiew. Merz offenbar im Mittelpunkt des Geschehens. Ganz anders als zuvor noch Scholz. Muss man ihm hier doch eine Chance geben?

Ich würde jedem Bundeskanzler eine Chance geben, selbst Friedrich Merz. Aber sein bisheriges politisches Verhalten, insbesondere im Ukrainekrieg, zeigt nicht, dass er deutsche Interessen vertreten kann oder will.

Danke für das Gespräch!

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