Ich frage mich manchmal, ob ich das Leben verpasse. Aber gibt es etwas Spannenderes als das, was wir gerade machen? Oder soll man sich doch mehr ins Private zurückziehen ab einem bestimmten Alter?
Man sollte beides machen. Das Leben natürlich mit seinen ganzen Vorzügen und mitunter auch mit den bitteren Momenten genießen, aber man muss sich auch mit Politik beschäftigen, mit dem, was wir gerade an großen Veränderungen erleben. Das hat historische Ausmaße, weil vieles nicht mehr so sein wird, wie wir es einmal kennengelernt haben. Viele von uns sind in der Illusion aufgewachsen, dass Wohlstand und politische Stabilität selbstverständlich sind und ewig bestehen würden. Krieg, Armut und Instabilität gäbe es nur bei den anderen.
Deswegen ist es wichtig, bei all den Problemen, die wir derzeit erleben, das Leben nicht zu vergessen. Wenn man sich aber nur auf das Private zurückzieht und mit dem eigenen Leben beschäftigt, dann verkennt man im Grunde genommen, welche politische Rolle wir haben, dass wir auch einwirken können und müssen, um etwas zu verändern und zu verbessern.
Wenn wir uns dagegen nur mit Politik beschäftigen, kann man an der Politik fast verzweifeln, weil die derzeitige politische Situation und die suggerierte Machtlosigkeit einen manchmal zur Verzweiflung bringen kann. Aber wir leben in einer Zeit der großen tektonischen Verschiebungen. Einen reinen Rückzug ins Private kann sich niemand leisten, der Abends mit gutem Gewissen einschlafen möchte.
Ich jedenfalls möchte eines Tages mit dem Gefühl gehen, dass ich alles in meiner Macht Stehende getan habe, um den zukünftigen Generationen ein Land zu hinterlassen, das lebenswert ist. Die jungen Leute müssen auch mit den Fähigkeiten ausgestattet werden, gut und sinnverfüllt zu leben und unser Land zu regieren, zu gestalten und führen zu können.
Da muss es wohl eine Feinjustierung geben zwischen nachdenken und aktiv agieren. Wie schafft man das? Man muss sich viel Zeit nehmen zum Nachdenken, zum Analysieren, um zu erkennen, was passiert hier eigentlich?
Ja, nur dann, wenn man versteht, kann man auch etwas verändern. Ich glaube, dass ich das Analysieren von Sachverhalten und daraus das Verstehen, was geschieht, ganz gut gelernt habe.
Eine gute Faustregel ist, wenn einen etwas stark emotionalisiert, dann sollte man einen Schritt zurücktreten und genau hinsehen. Emotionen stehen einem tiefgreifenden Verständnis oft im Wege und sind damit auch ein schlechter Wegweiser für Handlungen.
Deshalb benutzen ja auch alle unlauteren Geister die Emotionen ihrer Opfer, um sie zu manipulieren, indem man bei ihnen Angst, Hass, Wut, Neid, Fanatismus oder Sympathie, Begierde oder andere Emotionen erregt. Hierdurch können Massen mobilisiert und gleichgerichtet werden, und aus gleichgerichteten mobilisierten Massen kann ein Mob gebildet werden, den man mit Argumenten nicht mehr erreichen kann.
Ist der Zeitgeist auf einem falschen Dampfer unterwegs? Sehen Sie die Momente des Nachdenkens noch? Oder kommt das heute zu kurz in der Gesellschaft?
Dass es zu kurz kommt, ist nichts Neues. Es war leider schon immer so, dass ein großer Teil der Gesellschaft wenig darüber nachdenkt, was gerade geschieht, und kaum versteht, warum etwas geschieht. Viele können es nicht, andere wollen es nicht, weil sie andere Prioritäten im Leben haben. Vielleicht ist es neu, dass auch unser politisches Establishment nicht versteht oder nicht verstehen will, was sie tun, was für Aus- und Nebenwirkungen ihr Handeln hat.
Dass der einfache Bürger vieles nicht versteht, ist ihm nicht vorzuhalten. Dass aber führende Politiker es nicht verstehen oder verstehen wollen, ist für mich das Erschreckende. Und zu diesem Unwissen, treten auch ideologische Elemente und eine oberflächliche Affektgetriebenheit bei Teilen des heutigen politischen Establishments. Und das ist erschreckend, denn es sind zwar politische Akteure, aber es sind blinde Akteure. Das war zu anderen Zeiten besser gewesen.
Verstörende Streitereien zwischen Trump und Musk spalten Rechte und Konservative, die einen halten zu Trump, die anderen zu Musk. Und die üblichen Verdächtigen unken, alles sei inszeniert. Welche Auswirkungen sehen Sie da?
Meine Einschätzung ist, dass das Umfeld von Musk und Trump mittlerweile auf die beiden mäßigend eingewirkt hat. Und dass vielleicht dieser Streit, der in den letzten Wochen so hochkochte, sich jetzt abgekühlt hat. Es ist schade, dass die beiden sich auf internationaler und öffentlicher Bühne so stritten. Auf der anderen Seite, bei derartigen Persönlichkeiten ist es vielleicht auch naheliegend, dass es immer mal wieder zu einem lautstarken Streit kommen kann. Es wäre schön, wenn die beiden wieder zusammenarbeiten würden.
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Kann man dieser Öffentlichkeit, dieser Transparenz vielleicht auch etwas Positives abgewinnen?
Nein, ich sehe an einem solchen offen ausgetragenen Konflikt nichts Positives. Es geht doch in den USA darum, dass grundlegende Veränderungen im Sinne einer Wiederherstellung von bürgerlichen Freiheiten, von Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit erreicht werden. Genau dafür hatten sich Trump und Musk zusammen eingesetzt. Und um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen, und zwar in die gleiche Richtung und nicht in unterschiedliche Richtungen. Deswegen wäre es gut, wenn Trump und Musk wieder zusammenfinden würden.
Streit auch in der Merz-Regierung – Erstaunliches aus SPD-Kreisen: Mehrere bekannte SPD-Politiker protestieren gegen die Außen- und Sicherheitspolitik der Parteispitze und der gesamten Bundesregierung. Sie fordern tatsächlich Gespräche mit Russland und stellen sich gegen die hohen Ausgaben für das Militär. Bekommt Merz überraschenden Gegenwind oder hätte er damit rechnen müssen?
Die Außen- und Verteidigungspolitik von Merz ist in Deutschland umstritten. Nach meiner Einschätzung lehnt ein großer Teil der Bevölkerung die Kriegshetzte gegen Russland und die Aufrüstung der Bundeswehr für einen Krieg mit Russland ab. Auch in der SPD traf diese Kriegshetzte, die vor allem von CDU und Grünen betrieben wird, auf Widerstand. Von daher war es aus meiner Sicht naheliegend, dass Merz auch aus der SPD-Fraktion Widerstand erfährt.
Die SPD hat sich ja lange auch als Friedenspartei geriert. Mit dem Ukrainekrieg ist das über Bord geworfen worden. Selbst die Grünen sind zu vehementen Befürwortern einer Aufrüstung geworden. Was hat sich da gedreht?
Die SPD war schon seit jeher eine Partei, die in dieser Hinsicht keinen einheitlichen Kurs hatte. Die einen waren für die Friedensbewegung, deren Anhänger sich heute für Aufrüstung und die militärische Unterstützung der Ukraine aussprechen, und die anderen waren für eine realistische und nicht ideologische Außen- und Sicherheitspolitik mit Augenmaß. Dafür standen früher zum Beispiel die SPD-Verteidigungsminister Georg Leber und Helmut Schmidt. Die SPD unter Scholz/Esken und Klingbeil hat sich im Grunde genommen ins Gegenteil verändert und ist eine Kriegspartei geworden. Dass es da jetzt Widerstände gibt, ist natürlich naheliegend.
Wo ist die Klimabewegung? Klima-Greta fährt mit dem Schiff Richtung Gaza. Reibt sich die Klimabewegung hier gerade an der Gaza-Frage auf?
Auf der Straße sieht man sie offenbar nicht mehr, sondern eher bei Anti-Israel-Demonstrationen mit Palästinenser-Flaggen. Die Klimabewegung ist eine politische Sekte, der es nur vordergründig um den Schutz des Weltklimas geht. Jeder, der sich etwas intensiver mit diesen Leuten beschäftigt hat, musste zur Kenntnis nehmen, dass bei all diesen Reisen der Sektenfunktionäre in der Business- oder First-Class es nicht um die Rettung des Weltklimas und um CO2-Neutralität geht, sondern es geht um politischen Aktivismus mit dem Ziel, Menschen zu mobilisieren und zu instrumentalisieren, um eine Gesellschaft zu verändern.
Und nachdem das Klimathema offensichtlich totgeritten ist, außer für einige Unbelehrbare in Deutschland, kann man kaum noch jemanden wirklich dafür begeistern. Also geht man weiter, setzt auf ein anderes Thema, und versucht es nach vorne zu bringen. Klima-Greta ist jetzt zur Gaza-Greta geworden. Und wenn das Thema Gazakrieg von Greta totgeritten worden ist, dann wird ist ein anderes Thema nehmen, bestimmte Gruppen zu Opfern stilisieren, und zu versuchen, mit politischem Aktivismus eine kollektivistische Veränderung der Gesellschaft herbeizuführen.
Früher hieß es in der revolutionären Linken oft, dass man aus einem Generationenkonflikt einen Klassenkonflikt machen müsse, um die Massen zum Aufstand zu bewegen. Alles nur Mittel zum Zweck, die Themen sind austauschbar. Die Hauptsache ist, über die Emotionalisierung der Massen ihre maximale Mobilisierung und damit ihre Instrumentalisierung für Ziele zu erreichen, die sie eigentlich nicht wollen. Allerdings ist die Massenmobilisierung für die politische Linke heute nicht mehr so relevant wie früher. Denn solange die politische Linke die Medien weiter dominiert, kann sie ohnehin schalten und walten wie es gefällt.
Habeck, Baerbock und Lauterbach, also die Ex-Minister des Außen-, Wirtschafts- und Gesundheitsministeriums der Ampel, sind in die USA ausgewandert. Haben die drei ihr Herz für Deutschland verloren?
Die Genannten hatten noch nie ein Herz für Deutschland. Und sie gehen auch nicht in die republikanischen Staaten der USA, wenn ich es richtig sehe, sondern in Staaten, die von der demokratischen Partei regiert werden und dort auch an linke Universitäten.
Danke für das Gespräch!
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Kommentar von Joly Joker
"Dass aber führende Politiker es nicht verstehen oder verstehen wollen, ist für mich das Erschreckende"
Hatten wir hier in den letzten 100+ Jahren doch mehrfach:
Glaube an den Endsieg und das gleich 2mal
Die Vorgabe "Lieber tot als rot" und damit per Friedensbewegung auf die Straße. " Schwerter zu Pflugscharen" und "Atomkraft, nein Danke".
Waldsterben, Klimawandel, Energiepolitik und nun noch mal den Endsieg gegen Russland für die Ukraine. Ach ja: No Borders und Keiner ist illegal....
Wo professionelle Schwachköpfe und Menschen ohne Bildungsabschluss, die dann auch nicht mal wissen wollen, dass es nur 2 Geschlechter gibt - was kann man von denen erwarten? Ein neues Kinderbuch? oder gleich mehrere.
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Kommentar von HoNi
Es gibt kaum ein gelähmteres Volk als die Deutschen. Die Hintergründe sind bekannt
und die Masse lässt sich mit durch den Honig gezogenen Parolen jedesmal aufs Neue
hinter die Fichte führen. Der deutsche Klassiker ist, dass es nur nach einem Totalschaden
kurzzeitig die Möglichkeit gibt etwas grundlegendes zu verändern.
Ob in der jetzigen Situation ein Totalschaden ausreicht, mag ich diesmal bezweifeln.