„Die Bundesregierung hat erstmals seit 1945 sowohl Russland als auch die aktuelle US-Regierung gegen sich“

Wehrpflicht: „Hier soll Menschenmaterial für einen möglichen Krieg gegen Russland gesammelt werden“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

„Die AfD ist auch nicht die fünfte Kolonne Moskaus oder Washingtons“© Quelle: privat

Hans-Georg Maaßen über Merz im Fernsehen. Über die AfD und ihre Beziehungen zu Washington und Moskau, über die Gefahr einer Radikalisierung und über Drohnenabwehrsysteme und Wehrpflicht.

Friedrich Merz wird bei den Öffentlich-rechtlichen bis hin zur Groteske inszeniert. Die ARD-Sendung „Die 100“ gerät zur großen Politikshow.

Die Gesellschaft ist gespalten. Es gibt immer noch viele Leute, die die öffentlich-rechtlichen Medien konsumieren und auch solche Propagandaveranstaltungen glauben. Aber es werden immer weniger. Gott sei Dank werden es weniger. Immer mehr begreifen, was hier im Land passiert. Und dass das nicht das beste Deutschland aller Zeiten ist, wie suggeriert wird.

Und dass Herr Merz in einer derartigen Propagandashow gefeiert wird wie ein Herrscher einer nicht freien Gesellschaft, fällt auch immer mehr Leuten auf. Ich kann nur sagen: Wir können diese öffentlich-rechtlichen Medien nicht dazu zwingen, die Wahrheit zu berichten, aber wir können sie dazu bringen, immer unglaubwürdigere Propaganda zu betreiben. Und in dem Stadium sind wir mittlerweile.

Viele, die das befürworten, wissen um die Propaganda, rechtfertigen das aber innerlich als „Kampf gegen Rechts“.

Ja, sicher. Ich glaube, die meisten Journalisten sind jedenfalls so klug, dass sie wissen, dass das nichts mit Journalismus zu tun hat. Aber aus deren Perspektive heiligt der Zweck die Mittel. Und sie sind teilweise Opfer der eigenen Propaganda. Die Diffamierung der AfD und von Regierungskritikern als „Nazis“ und das Heraufbeschwören eines neuen Dritten Reiches, wenn es zu einer AfD-Mitregierung kommt, rechtfertigt für diese Leute persönlich, dass sie sich über Regeln und Gesetze hinwegsetzen, weil sie wirklich glauben, sie müssten alles tun, um die völlig absurde Möglichkeit einer Wiederkehr des Dritten Reichs zu verhindern.

Zehn Jahre Diffamierung, Denunzierung, Diskreditierung, Ausgrenzung gegenüber der AfD. Da kann niemand bestreiten, dass es auch auf Seiten der AfD zu einer Radikalisierung kommen kann.

Das ist ein ganz normaler psychologischer Prozess. Aktion führt zu Reaktion.

Es besteht die Gefahr, dass man am Ende die Gründe, die heute fehlen, für morgen schon provoziert hat?

Das ist auch ein Kalkül: Diejenigen, die die AfD und andere – ich denke da auch an die Werteunion und an mich – ausgrenzen, stigmatisieren und mit Repression vorgehen, erwarten, dass diese durch eine überzogene Reaktion nachträglich die Repression rechtfertigen.

Sie wissen, dass das immer die Verteidigungslinie der RAF war: Man habe sie damit an die Waffe getrieben.

Natürlich hat die RAF sich mit solchen Ausflüchten verteidigt, aber das bedeutet nicht, dass diese Prozesse an und für sich falsch sind. Nur: Die RAF hat in ihrer Technik dieses linke Narrativ weiterentwickelt: Wir sind die Opfer, die anderen die Täter.

Es gab in den 60ern eine verkrustete Gesellschaft, Kritik am „Muff unter den Talaren“ usw. Es gab Lebensumstände, die junge Leute verändern wollten und dafür harsch kritisiert, in der Bild-Zeitung diffamiert und ausgegrenzt wurden. Das ist die Argumentation, dass man sich dann zur RAF radikalisiert habe.

Nun, ich kann nicht sehen, dass AfD-Anhänger Terroranschläge begehen, Politiker entführen oder Kaufhäuser in Brand setzen. Der ganze Vergleich hinkt sehr.

Wir haben schon öfter darüber gesprochen: Die Kritik der Amerikaner an Europa nutzt den Amerikanern auch, da hier ein Konkurrent mit inneren Problemen beschäftigt ist. Wie kann man das auseinanderhalten im Kampf für Freiheit und Demokratie?

Ich würde nicht pauschal von „den Amerikanern“ sprechen. Auch da gibt es unterschiedliche Strömungen. Die einen haben die Klimasekte bisher finanziert – auch mit dem mutmaßlichen Ziel, Deutschland zu schwächen. Denn wenn Deutschland CO₂-neutral würde, wäre es kein Player mehr auf dem Weltmarkt. Dasselbe gilt, wenn der Hamburger Hafen nur noch E-Schiffe zulässt. Dann ist die deutsche Hafeninfrastruktur am Ende. Auf der anderen Seite gibt es Amerikaner, die genau diese Mentalität bekämpfen, aber gleichwohl „America first“ sagen – das ist die Regierung Trump.

Und Donald Trump macht sich Sorgen um die Situation in Europa, das konnte man im Nationalen Sicherheitsbericht der letzten Woche nachlesen. Nicht aus Altruismus – die Amerikaner sind selten altruistisch –, sondern aus nationaler Perspektive. Ein instabiles, wirtschaftlich am Boden liegendes Europa, das seine Zivilisation verliert und möglicherweise in interne Konflikte oder Bürgerkriege verwickelt ist, ist für die USA kein Partner, sondern ein Problem. In diese Richtung entwickelt sich derzeit Europa und Deutschland.

Im Kanzleramt empfing Merz NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Letzte Woche trafen sich beide auch mit dem ukrainischen Präsidenten. Was erwarten Sie sich von solchen Treffen?

Ich erwarte nichts. Herr Rutte ist keine relevante Größe. Der NATO-Generalsekretär ist seit jeher das europäische Feigenblatt für ein von den USA dominiertes und US-Generalen geführtes Bündnis. Deswegen erwarte ich nur, dass die beiden Herren sich gegenseitig in ihrer „Großartigkeit“ bestätigen.

Die Bundeswehr hat südlich von Berlin für knapp 4 Milliarden Euro ein israelisches Arrow-System in Betrieb genommen. Wozu? Eine verdeckte Subventionierung Israels und zugleich eine Provokation Richtung Moskau – eine Art Kriegsvorbereitung? Wie sehen Sie das?

Ich bin grundsätzlich für eine funktionierende Landesverteidigung. Aber eine Landesverteidigung kann nicht mit derartigen Flugabwehrsystemen beginnen, sondern man müsste viel tiefer bei der Bundeswehr ansetzen, was versäumt wurde. Ob dieses System wirklich sinnvoll und ökonomisch ist, ob es nicht preisgünstigere deutsche oder europäische Alternativen gibt, kann ich nicht beurteilen. Das sollte man untersuchen. Für mich ist auch fraglich, ob das israelische Produkt wirklich weltführend ist.

Wo ist die große europäische Friedensbewegung oder wenigstens eine Friedensinitiative?

Die Friedensbewegung der 70er/80er war zu einem Teil ideologisch motiviert und von der Sowjetunion bzw. DDR mitunterstützt. Leute, die sich damals für den Frieden einsetzten, sind teilweise dieselben, die heute Waffengänge und Aufrüstung befürworten – das zeigt, dass Frieden nie das eigentliche Ziel war, sondern dass der propagierte Pazifismus nur ein Mittel war, um die verhasste freiheitliche Demokratie als Kriegstreiber vorzuführen und damit ein Vehikel zur Destabilisierung unserer Grundordnung.

Heute fehlen ideologische Motive für eine neue Friedensbewegung; es wären rein rationale und realistische Gründe. Aber das Bürgertum ist leider kaum mobilisierungsfähig, wenn es um seine wirklichen Interessen geht. Die meisten bleiben zu Hause und sagen: „Das sollen doch die anderen machen."

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Früher kamen Wehrdienstverweigerungsberatungen von linksgrün und den Kirchen. Heute sind genau diese Kreise fast durchweg Befürworter von Waffenlieferungen in die Ukraine. Bisher hat sich von rechts niemand gefunden, der neue Strukturen aufbaut. Was lässt AfD & Co da liegen?

Weil das alternative Bürgertum schlecht organisiert und nicht so aktivistisch ist wie die politische Linke. Und man darf nicht vergessen: So einig ist dieses Bürgertum auch nicht. Es gibt immer noch viele, die den Ukrainekrieg befürworten und glauben, wenn man Russland dort nicht stoppt, stehen sie einen Tag später an der Oder und zwei Tage später am Rhein.

Die, die Sie ansprechen – eine neue Achse aus AfD-Lucassen, Junge Freiheit-Stein und Schnellroda-Kubitschek –, haben sich da positioniert. Lucassen hat Kubitschek gerade verteidigt, der deutsche Tugenden wie Gehorsam wieder reaktivieren will. Taugt die Bundeswehr als Erziehungsinstrument?

Ich kann ihre Haltung prinzipiell verstehen. Allerdings haben sie nicht begriffen, dass sich die Zeiten geändert haben. Die Bundeswehr wird heute massiv von einer woken und linken Politik instrumentalisiert, die nicht den Interessen Deutschlands dient. Wenn sich die Zeiten ändern, kann man nicht krampfhaft an Vorstellungen, die früher richtig waren, festhalten. Die heutige Bundesregierung ist nicht die damalige, die mehr Augenmaß hatte.

Das heißt, der Zeitpunkt für eine Wiederbelebung der Wehrpflicht ist mit Blick auf den Ukraine-Konflikt denkbar falsch?

Ja, absolut falsch. Es ist offensichtlich, dass hier Menschenmaterial für einen möglichen Krieg gegen Russland gesammelt werden soll. Wer jetzt die Wehrpflicht fordert, hat nicht verstanden, worum es geht, und setzt sich letztlich in den Dienst derer, die genau diesen Krieg wollen.

Ich habe den Eindruck, dass die neuen Medien beim massiven Zuzug von Afghanen – aus 300 Ortskräften wurden Zehntausende – versagt haben. Man hätte zeigen können, wie dieselben NGOs, die im Mittelmeer „Seenotrettung“ betrieben, sofort in Afghanistan aktiv wurden. Das ist medial nicht durchgedrungen – eigentlich ein Angriff auf den Wohlstand der Deutschen.

Das ist nicht nur ein Angriff auf den Wohlstand, sondern – wie Donald Trump sagte – letztlich gegen unsere Zivilisation, weil es zur Destabilisierung der Gesellschaft führt. Jeder weiß, dass wir nicht Millionen Menschen integrieren können, zumal viele gar nicht mit dem Willen kommen, sich zu integrieren, sondern ihre Kultur hier ausleben wollen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann verleiht Angela Merkel einen Orden für ihr Wirken in der Corona-Zeit. Die Proteste bleiben aus. Kretschmann macht das kalkuliert, um seine Klientel zu bedienen. Wie gespalten ist Deutschland wirklich?

Die Menschen, die Merkel kritisch sahen, haben das Thema längst abgehakt. Dass sie jetzt irgendwelche unbekannten Preise für ihr damaliges Handeln bekommt, interessiert niemanden mehr. Was interessiert, ist eine unvoreingenommene politische und juristische Aufarbeitung der Merkel-Zeit; vor allem aber, ein Rückgängigmachen ihrer wesentlichen Fehlentscheidungen.

Die Etablierten kritisieren zwar die Russlandpolitik der Merkeljahre, aber warum bleibt so wenig an der Ex-Kanzlerin hängen?

Auch ich nehme diese Kritik nicht als besonders stark wahr. Steinmeier wurde mal angegriffen, vor allem wegen Nord Stream. Aber insgesamt gehört das zur unbewältigten Merkel-Ära. Für den medial-politischen Komplex bleibt Merkel sakrosankt; ihre Entscheidungen werden nicht wirklich infrage gestellt – weder die Russland-Zusammenarbeit noch andere.

Was macht die AfD gerade in den USA? Nach positiven Aussagen von Alice Weidel scheint man die ewige Diffamierung als „Putins fünfte Kolonne“ mit einer Trump-Umarmung wegwischen zu wollen. Ist das nicht durchsichtig?

Nein, das sehe ich gar nicht als Trump-Umarmung. Und die AfD ist auch nicht die fünfte Kolonne Moskaus oder Washingtons – das sind alles Diffamierungen. Die jetzige Situation ist vielmehr: Die etablierten Parteien und die Bundesregierung haben erstmals seit 1945 sowohl Russland als auch die aktuelle US-Regierung gegen sich. Das muss uns Sorgen machen.

Dass die AfD versucht, mit beiden Staaten und beiden Regierungen zu sprechen, ist richtig und wichtig. Es zeigt, dass es zumindest Kräfte in Deutschland gibt, die verhindern wollen, dass das Land komplett isoliert dasteht.

Früher hielt die Bundesregierung auch über die Opposition Kanäle offen.

Genau. Früher hatte eine CDU-Regierung exzellente Beziehungen ins Weiße Haus und versuchte, auch mit Russland im Gespräch zu bleiben. Jetzt will Friedrich Merz beides nicht: Russland als Feind, Trump als Gegner. Das ist das Problem. Nicht die AfD, die mit beiden redet, ist das Problem – Merz ist das Problem, der Deutschland in einen aussichtslosen Konflikt mit zwei Weltmächten führt. Und diesen Konflikt werden wir mit einem Mark Rutte mit Sicherheit nicht gewinnen. Diesen Konflikt werden wir verlieren.

Danke für das Gespräch!

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