Zwei Kommentare, zwei Meinungen, zwei Mal Deutschland? Teil 1

75 Jahre Grundgesetz – Maaßen versus Steinmeier

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Das maskierte Grundgesetz© Quelle: Pixabay/Mabufoto

Ein Kommentar und Auszüge einer Rede zum 75. Jahrestages des Grundgesetzes. Es bleibt dem Leser überlassen, beide Texte miteinander zu vergleichen. Maaßen versus Steinmeier.

Hans-Georg Maaßen

Hans-Georg Maaßen, der Ex-Präsident des Bundesverfassungsschutzes und Vorsitzender der Werteunion, zieht anlässlich des 75. Jahrestages des Grundgesetzes eine vernichtende Bilanz „über die heutige Verfassungswirklichkeit“. In der aktuellen Pressemitteilung der Werteunion erklärt ihr Parteichef Dr. Maaßen:

Das Grundgesetz ist sicherlich im historischen Vergleich die deutsche Verfassung, die ein Höchstmaß an Freiheiten mit Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Frieden verknüpft. Es ist aus dem Geist geschaffen worden, die Bürger vor einem übergriffigen Staat wehrhaft zu schützen.

Die heutige Verfassungswirklichkeit hat sich weit entfernt von den Vorgaben des Grundgesetzes. Die Wirklichkeit sieht inzwischen so aus, dass den Bürgern Freiheiten entzogen und Grundrechte nicht mehr wirksam ausgeübt werden. Die Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, wenn man sich kritisch zur herrschenden Politik äußert, Bürger werden ausgegrenzt, diffamiert und erleben Rufmordkampagnen gegen sich, wenn sie sich kritisch äußern oder einer falschen Partei angehören. Grundrechte werden unter den Vorbehalt eines ideologischen Klimaschutzes gestellt, und der Staat maßt sich an, diese Grundrechte 'zuzuteilen'.

Die Wirklichkeit sieht so aus, dass die Regierenden sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen, sei es bei der Finanzpolitik, der Klimapolitik, bei 'Rettungsschirmen' oder bei der Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes zur politischen Feindbekämpfung. Sie lassen zu, dass es gesellschaftliche Gruppen gibt, die aus ideologischen Gründen das Recht brechen und andere Bürger politisch verfolgen. Die Wirklichkeit sieht auch so aus, dass die Demokratie in hohem Maße gefährdet ist, wenn einzelne Parteien für sich in Anspruch nehmen, dass nur sie demokratisch sind und dass diejenigen, die diese Positionen ablehnen, als Rechtspopulisten und Faschisten diffamiert und bekämpft werden.

Der heutige 23. Mai, der 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes, sollte uns Anlass geben, dafür zu kämpfen, was uns das Grundgesetz schenken wollte: Freiheit, Rechtsstaat, Demokratie und Frieden.“

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Rede zum Festakt 75. Jahre Grundgesetz (Auszüge):

Für mich steht fest: Wir leben in einer Zeit der Bewährung. Es kommen raue, härtere Jahre auf uns zu. Die Antwort darauf können und dürfen nicht Kleinmut oder Selbstzweifel sein. Es wäre ganz falsch, den Kopf in den Sand zu stecken oder von einer bequemeren Vergangenheit zu träumen. Falsch ist es nach meiner festen Überzeugung auch, täglich den Untergang unseres Landes zu beschwören. All das lähmt, das bringt uns nicht weiter. Wir müssen uns jetzt behaupten – mit Realismus und Ehrgeiz. Das ist die Aufgabe unserer Zeit. Selbstbehauptung ist die Aufgabe unserer Zeit!

Und Selbstbehauptung beginnt mit dem klaren Blick auf das, was zu tun ist. Wir müssen die Werte verteidigen, die uns im Kern ausmachen. Die dürfen nicht zur Disposition stehen! Aber wir müssen unsere Ziele schärfen und anpassen an die neuen Herausforderungen. Und vor allem müssen wir offen reden über die Größe der Aufgabe und über die Verantwortung, die daraus erwächst, für die Politik, aber auch für jeden Einzelnen von uns.

Klar ist: Die Bedrohung, die von Russland auch für uns ausgeht, wird nicht einfach verschwinden. Niemand weiß besser als die Ukraine: Wer die Freiheit liebt, darf vor dem Aggressor nicht weichen. Und niemand weiß, wann Putins Machthunger gestillt ist.

Für mich ist zwingend: Wir müssen mehr tun für unsere Sicherheit. Wir müssen in unsere Verteidigung investieren und unser Bündnis stärken. Dafür braucht es finanzielle Mittel. Aber vergessen wir nicht, was es dafür ebenso braucht: eine starke Gesellschaft. Eine starke Gesellschaft, die um den Wert der Freiheit weiß, die bereit ist, Bedrohungen der Freiheit entgegenzutreten, und die Zusammenhalt beweist. Zusammenhalt heißt nicht, dass alle einer Meinung sind. Zusammenhalt heißt, zu wissen, dass wir einander brauchen, auch wenn wir unterschiedlich sind. Dieses Wissen entsteht aus Erfahrung, aus Begegnung – und die müssen wir stärken.
Militärische Sicherheit und gesellschaftliche Widerstandskraft, beides gehört zusammen. Deshalb sollten wir die Debatte über Formen des Wehrdienstes und anderer Dienste für unser Gemeinwesen nicht scheuen, sondern führen und zusammenführen.
(...)
Und gerade jetzt, wo wir unsere Demokratie dringend brauchen, weil sie allein Streit friedlich beilegen kann und offen ist für Kompromiss und Veränderungen, gerade jetzt ist unsere Demokratie selbst unter Druck geraten. Gerade jetzt erstarken auch bei uns Kräfte, die sie schwächen und aushöhlen wollen, die ihre Institutionen verachten und ihre Repräsentanten beschimpfen und verunglimpfen. Ja, unsere Demokratie ist geglückt. Auf ewig garantiert aber ist sie nicht. Schützen werden sie nicht andere! Schützen können wir sie nur selbst! Auf uns kommt es an!

Selbstbehauptung ist die Aufgabe unserer Zeit. Aber behaupten werden wir uns nur als starke Demokratie. Und genau deshalb brauchen wir jetzt Bürgerinnen und Bürger, die dem Gemeinwesen nicht gleichgültig gegenüberstehen. Die ihre Meinung sagen, ihre Sorgen äußern; aber die unterscheiden zwischen berechtigter Kritik und dem Generalangriff auf unser politisches System. Und genau deshalb geht es jetzt auch darum, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu erreichen und zu überzeugen, die keine Extremisten sind, die aber mit der Politik, mit unserer Gesellschaft, mit unserer Demokratie hadern.
(...)
In wenigen Tagen werde ich beim Gedenken für Walter Lübcke sprechen. Vor fünf Jahren wurde er, der langjährige Politiker, der zuletzt Regierungspräsident von Kassel war, regelrecht hingerichtet, weil er für eine offene, tolerante Gesellschaft stand. Sein Tod – wie die Taten von Solingen, Hanau, Halle, die Ermordeten des NSU – ist uns eine Mahnung, wie aus Hass Gewalt werden kann.

Zuletzt fast täglich erreichen uns Nachrichten von tätlichen Angriffen auf Mandatsträger und politisch Engagierte. Ich bin zutiefst besorgt über die Verrohung der politischen Umgangsformen in unserem Land.

Demokratie braucht den Wettbewerb und auch den Streit. Sie verträgt Zuspitzung und härteste Auseinandersetzung. Aber eines sollten doch gerade wir wissen: Gewalt zerstört Demokratie. Sie sät Angst. Sie sät Misstrauen. Sie entmutigt. Sie lässt die Menschen verstummen, die eine Demokratie braucht. Wer Angst um sich und um seine Familie haben muss, der bewirbt sich auch nicht um politische Verantwortung.“

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