Heinz Buschkowsky bat noch 2018: „Bleiben Sie tapfer, Frau Busse“

Anti-arabische Hetze? Bildungssenatorin Busse entschuldigt sich

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Neue Berliner Bildungssenatorin vor drei Jahren bei Stern-TV als Schulleiterin einer Neuköllner Grundschule: „Ich wünsche mir, dass das Quartier wieder einmal so durchmischt ist, wie es gewesen ist.“© Quelle: YouTube / Stern TV

Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ist seit 1996 durchgehend in der Hand der SPD. Die Sozialdemokratin Sandra Scheers hatte den Job über zehn Jahre inne, bis sie im Dezember 2021 von ihrer Parteigenossin Astrid-Sabine Busse abgelöst wurde.

Jetzt, wenige Monate nach Amtsantritt von Busse im Senat von Franziska Giffey (SPD), stolpert die gebürtige Tempelhoferin über ihre Vergangenheit. Und zwar auf eine Weise, die durchaus für etwas Schadenfreude gut ist.

Was war passiert? Frau Busse hat sich ein paar echte Verdienste um Generationen von Berliner Schulkindern erworben: Die gelernte Lehrerin war bis 2021 dreißig Jahre lang Leiterin einer Berliner Grundschule in Neukölln. Da weiß man, was die Stunde geschlagen hat.

Astrid-Sabine Busse war kein Kind von Traurigkeit, wenn es darum ging, den real existierenden Schulalltag an ihrer Schule so zu schildern, wie er nun einmal ist.

Und jetzt wird’s interessant. Denn ausgerechnet zwei Parteigenossinnen lieferten Busse gewissermaßen ans Messer, indem sie auf vergangene wohl ausländerkritische oder -feindliche Äußerungen – wir kommen gleich ausführlich dazu – der neuen Senatorin hinwiesen.

Da wäre zum einen die Charlottenburger SPD-Lokalpolitikerin Anne Rabe, die per Twitter die Nase rümpfte. Und zum anderen die frühere Staatssekretärin und SPD-Politikerin Sawsan Chebli, die sich ebenfalls über Busse öffentlich echauffierte. Nur eine innerparteiliche Quengelei, gar eine ausgewachsene sozialdemokratische Stutenbissigkeit oder doch ein ernsthaftes Anliegen?

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Was hat Busse in ihrer Vergangenheit vergraben, was die SPD-Kolleginnen nun hervorkramten? Es geht um über zehn Jahre alte Äußerungen aus Busses aktiver Zeit als Schuldirektorin. Damals klagte sie sehr offen und direkt über Probleme der Zuwanderung und Integration gegenüber Zeitungen. Artikel, die jetzt gewissermaßen unter Friendly Fire von den Genossinnen hervorgekramt wurden.

Hier ein paar Auszüge der speziell an arabische Zuwanderung gerichteten Busse-Kritik vom November 2009:

„Sie bleiben einfach untereinander. Man muss sich hier ja auch gar nicht mehr integrieren. Man nimmt das Viertel in Besitz, und man lässt sich pampern. Ich sehe doch an den Bescheiden für Lernmittelzuschüsse, wie viel Geld in Wahrheit in diesen Familien ist, alles Sozialhilfe; wenn da viele Kinder sind, ergibt das 3.000, 3.500 Euro."

Aber nicht nur das: Die Fundstücke hatten einst auch den aus der SPD ausgeschlossenen migrationskritischen Autor und ehemaligen Berliner Innensenator Thilo Sarrazin so inspiriert, dass er diese als Belegstellen in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ zitierte. Wohlgemerkt, die SPD ist hier weiter unter sich.

SPD-Politikerin Sawsan Chebli war darüber so erregt, dass sie twitterte:

„Die Bildungssenatorin hat nie verborgen, welches Bild sie von Arabern und Muslimen hat. Wir sind alle potenziell gefährlich, radikal, faul."

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ist selbst ein Berliner SPD-Gewächs. Bevor sie Bürgermeisterin wurde, war sie Bundesfamilienministerin und davor Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln. Giffey und Busse kennen sich also quasi vom Käffchen auf dem Gehsteig des Problemkiezes. Und da wird man wohl mehr als ein klärendes Gespräch geführt haben. Giffey wusste demnach aus direktem Erleben, wen sie da in ihren Senat geholt hat, und vor allem, warum.

Aber es wird noch interessanter: Giffeys Vorgänger im Amt in Neukölln war ein weiterer Sozialdemokrat und er war es fast fünfzehn Jahre lang. Die Rede ist vom zuwanderungskritischen Pack-An-Bürgermeister und Bestsellerautor Heinz Buschkowsky.

Insgesamt macht das alles den Eindruck einer eingeschworenen Gemeinschaft von in Zuwanderungsfragen wenig zimperlichen Realpolitikern. Auch Buschkowsky und Busse sind alte Bekannte. Und um so weiter man wühlt, desto deftiger oder solider werden die ausgebuddelten Busse-Kommentare.

Auch besagter Heinz Buschkowsky schrieb 2018 über Busse in einem Gastartikel hinter der Bezahlschranke für die Bild-Zeitung Bemerkenswertes:

„Schulleiterin Astrid-Sabine Busse – ihr Name steht für Zivilcourage, Mut und Tapferkeit. Warum? Diese Frau ist Rektorin einer Neuköllner Grundschule.“

Buschkovskys Überschrift:

„Bleiben Sie tapfer, Frau Busse!“

Busse und Giffey-Vorgänger Buschkowsky traten sogar schon gemeinsam vor der Kamera von Stern-TV auf, um über die unhaltbaren Zustände des unter arabischem Einfluss stehenden Neukölln:

Die Politik hätte verhindert, dass es in den Wohnvierteln „eine gesunde Durchmischung gibt“. Solche und weitere Bestandsaufnahmen der Zustände in ihrem Kiez berichtete Busse noch 2019 gegenüber dem Stern-TV (Das Video dazu im Anschluss). Das Datum ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sich die frischgebackene Senatorin im Giffey-Senat jetzt vor allen wortreich entschuldigt für ähnliche Äußerungen, die sie 2009 oder früher machte.

Suggerieren will sie damit, dass das doch alles schon so lange her wäre und sich ihrer Haltung geändert hätte. Davon ist aber auch zehn Jahre später im Interview mit Stern-TV nicht die Rede, das in der Sendung an einen zurückliegenden Auftritt der Schulleiterin zusammen mit Buschkowsky von 2010 erinnern und 2019 schauen wollte, wie sich der Brennpunkt mittlerweile entwickelt hat. Aber auch 2019 eine klare Ansage von Schulleiterin Busse: Es hake nach wie vor an der Motivation der Eltern, sich und ihre Kinder zu integrieren.

Stern-TV vor drei Jahren mit Frau Busse im Bild:

„In Neukölln wünscht sich Schulleiterin Busse nur eines: ‚Ich wünsche mir, dass das Quartier wieder einmal so durchmischt ist, wie es gewesen ist. Also vor zwanzig Jahren noch besonders.“

Oder mit anderen Worten, Busse wünscht sich nach wie vor ein paar herkunftsdeutsche Farbspritzer im arabischen Neukölln zurück.

Zurück in die Gegenwart: SPD-Genossinnen haben die neue Bildungssenatorin, die für ihren neuen Job zweifellos beste Voraussetzungen mitbringt, an den Pranger gestellt.

Und anstatt nun Chebli und Co die Stirn zu bieten, so wie Busse jahrzehntelang den arabischen Zuwanderern klare Leitplanken aufgestellt hat, solche, die sogar Thilo Sarrazin imponierten und möglicherweise sogar zu seinem Bestseller animierten, knickt Busse 2022 ein.

Busse – die im Übrigen erst für den Senatsposten in die SPD eintrat, zuvor also ein politisch unberührtes Pflänzchen war – entschuldigt sich wortreich für... , ja für was eigentlich? Denn bei ihrer Ernennung vor wenigen Monaten hatte die Regierende Bürgermeisterin Giffey noch explizit die offene Art von Busse erwähnt und höchstes Lob geäußert: „Ihre Schule ist eine der tollsten in Berlin. Die Kinder weinen, wenn Ferien sind.“

Busse erklärte jetzt in einer Stellungnahme an den Schulbeirat, Sarrazin habe ihre Zitate ohne ihr Wissen verwendet. Sie distanziere sich ausdrücklich von dessen rassistischen, realitätsfernen und menschenverachtenden Thesen. Aber was ändert das an ihren Zitaten?

Richtiggehend tragisch klingen hier die Rechtfertigungen der bis dahin so aufrechten Schulleiterin, die sich jetzt vollkommen in der blöden SPD-Realpolitik verheddert hat:

„Wenn ich als Schulleiterin von Medien gefragt wurde, habe ich die Umstände und Erfahrungen aus meiner praktischen Arbeit immer mit der Absicht beschrieben, wachzurütteln - auch die Politik. (…) Dass meine damaligen Formulierungen als Schulleiterin nicht glasklar und eindeutig waren - und deshalb von Herrn Sarrazin missbraucht werden konnten -, tut mir aufrichtig leid. (…) Ich habe über mein konkretes Erleben an der Schule und in ihrem sozialen Einzugsgebiet gesprochen. (…) Dies habe ich auch immer in dem Wissen getan, dass wir als Land und als Gesellschaft noch nicht die richtigen Wege und die richtige Ansprache gefunden hatten, um deutlich zu machen, dass gelingende Integration keine Einbahnstraße ist."

In diesem Bereich hätte sich aber „seit 2009 zum Glück viel getan“. Man will es der armen Frau Busse nicht noch schwerer machen. Aber da unterschlägt sie leider, dass sie noch 2019 bei Stern-TV unter anderem davon sprach, dass sich eben nicht viel geändert hätte. Ihre Sehnsucht nach wieder mehr deutschen und weniger arabischen Kindern war 2019 die gleiche wie schon 2009.

Was für eine dramatische Vorstellung der Berliner SPD-Genossen in bester Kiez-Besetzung: Buschkovsky, Busse, Chebli, Giffey und als Sahnehäubchen obendrauf noch Ex-Genosse Sarrazin.

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