Alexander Wallasch – Leitartikel am Montag

Boris Palmer verheddert in der Antisemitismus-Kritik

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

Alexander Wallasch – Leitartikel am Montag: Parteiausschlussverfahren gegen Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Tübingen, eingeleitet.© Quelle: © Screenshot: SWR

Boris Palmer, der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, schreibt per Facebook unter der Überschrift „@Israel“ die Lebensgeschichte seiner Familie auf, die – das erfährt man hier – geprägt war durch die Verfolgung von Familienmitgliedern jüdischen Glaubens. Palmers Ahnen liegen teils auf den jüdischen Friedhöfen in Europa, sein Vater wurde in der Schule vom Lehrer nicht Helmut genannt, so hieß er nämlich, sondern Moses.

Ein für Facebook-Verhältnisse raumgreifender, emotionaler wie lesenswerter Text, ein Text voller Schmerz, der auch ein Dokument der inneren Gefühlslage von Palmer sein mag, so, wie er im Moment aus den eigenen grünen Reihen kommend unter Feuer steht.

Das schrieb Palmer am Sonntag, 16.05.2021 auf seinem Facebook-Kanal

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Vielleicht ist das ja so, dass man sich in so einer misslichen Lage – Parteiausschlussverfahren, persönliche Ansprache der grünen Kanzlerkandidatin an Palmer (Abbitte-Forderung) – dass man sich an die düstersten Momente der Familiengeschichte erinnert, ganz bei denjenigen ist, deren Leid so groß war, deren Leben in Gefahr war, die gar ihr Leben verloren haben.

All das berichtet der Oberbürgermeister, weil ihn so üble kriminelle Hetzer wie Atila Hildmann via Telegram zum Kopf einer jüdischen Weltverschwörung machen, wie Palmer erzählt. „Und ob das überhaupt stimme, mit den jüdischen Vorfahren?“ zitiert er die Frage der Hetzer vorab und erzählt anschließend die Geschichte seiner Familie.

Palmer hat ein Foto angehängt von einer Pro-Palästina-Demo (in Tübingen?). Er hat aber noch etwas angehängt, das Anlass zur Verstörung geben könnte: Ein Post Scriptum. Und das geht folgendermaßen:

„Ganz besonders unglaubwürdig ist Solidarität in dieser Frage von Menschen, die sich mit AfD-Profilen schmücken. Wer Antisemitismus nur bei denen sieht, die man aus dem Land schaffen will, muss erst vor der eigenen Haustür kehren.“

Boris Palmer

Die Schriftstellerin Cora Stephan hatte den Text von Palmer auf Facebook geteilt und schreibt später in einem Kommentar zum PS.: „Er scheint zu glauben, irgendeinen Disclaimer nötig zu haben.“ Tatsächlich wirkt das genauso. Aber das befreit Boris Palmer nicht davon, dass andere über seinen bewegenden Text hinweg diesen Disclaimer kritisch betrachten.

„Solidarität“ von AfD-Leuten für Juden ist für Palmer also unglaubwürdig. Das ist ein maximal starker Anwurf, den man zwingend begründen muss. „Vor der eigenen Haustür kehren?“ Ist die Tür von Palmer nicht mehr grün gestrichen, sondern blau? Also hätte die Kritik hier nicht Umwegs frei und zuerst direkt in die eigene Partei stechen müssen? Dahin, wo man einer Einwanderungsgesellschaft das Wort redet – einer anhaltenden Massenzuwanderung in die Sozialsysteme – und sich die Grünen unter Baerbock anschicken, diese Einwanderung vornehmlich muslimischer Migranten unter zukünftiger Regierungsbeteiligung noch einmal zu intensivieren?

Die begeisterten Kommentare grüner Führungsfrauen zur Massenzuwanderung der letzten Jahre sind hinlänglich zitiert. Ebenso, wie das linke und grüne Engagement für die Sache der Palästinenser in den vergangenen Jahrzehnten. Und da beginnt diese Melange auch gehörig zu schwitzen und zu brodeln.

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Die Geschichte der Rote Armee Fraktion in Deutschland ist auch eine der Solidarität mit gegen Israel gerichteten palästinensischen Terrorgruppen. Und die linksgrüne Rezeption der RAF-Geschichte ist eine der klammheimlichen Freuden darüber, dass auch Deutschland im internationalen Mordorchester so etwas wie einen bewaffneten Kampf vorweisen kann. Terror.

Es ist kaum zu fassen, aber der Kapitän der Sea-Watch-4, jenes Schiff, das die Evangelischen Kirchen Deutschlands unter ihrem Noch-EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm zu Wasser gelassen haben, dieser Kapitän fuhr schon auf der Iuventa (ein weiteres NGO-Schiff zur so genannten Seenotrettung) unter dem roten Stern, nur dass diesen statt der Knarre der RAF, statt der Maschinenpistole Heckler & Koch MP5, der Schattenriss eines Schiffes schmückt. Und statt RAF steht da SAR für „Solidarity and Resistance“. Dass dieser Kapitän an Deck gerne das Ornat der Antifa trägt, ist hier nur noch ein weiteres Detail.

Nein, nicht jeder Muslim ist ein Antisemit. Natürlich nicht. Antisemiten sind sicher sogar in der Minderheit. Aber der Antisemitismus, den wir aktuell auf den Straßen in Deutschland erleben, ist nun mal ein muslimischer. Und der eine oder andere dieser Antisemiten ist möglicherweise auch mit dem Schiff der evangelischen Kirche oder weiterer Organisationen über das Mittelmeer nach Deutschland gekommen. Dazu hört man allerdings von Palmer und seiner pro-palästinensischen Seenotrettungspartei in seinem emotionalen Ruf kein einziges scharfes Wort. Nicht einmal eines des Bedauerns ist zu vernehmen. Die Selbstkritik, die er bei anderen anmahnt, bei ihm selbst für die Grünen Fehlanzeige.

Boris Palmer hat sich oft kritisch zur Massenzuwanderung geäußert. So eine Kritik aber wirkt da am glaubwürdigsten, wo sie ins Risiko geht. Nein, es ist noch lange kein Risiko, als Grüner Zuwanderung zu kritisieren oder muslimischen Antisemitismus. Eine Partei ist kein Arbeitgeber, ist kein Land, man wird nicht gefeuert oder gar ausgewiesen. Die Arbeitgeber von Boris Palmer sind seine Bürger, die ihn zum Oberbürgermeister gemacht haben – nur sie entscheiden, wann er wieder eine gewöhnlichere Arbeitsstelle aufnehmen muss, die eben nicht über ein Büro im Rathaus verfügt.

Nochmal der Nachsatz von Palmer:

„Ganz besonders unglaubwürdig ist Solidarität in dieser Frage von Menschen, die sich mit AfD-Profilen schmücken. Wer Antisemitismus nur bei denen sieht, die man aus dem Land schaffen will, muss erst vor der eigenen Haustür kehren.“

Boris Palmer

Sagen wir es, wie es ist und wie es Palmer selbst aus dem Strudel der Emotionen heraus nicht zu sagen wagte: Dies ist die Bruchstelle in der grünen Erzählung vom friedlichen Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft in Deutschland: Der Antisemitismus von Muslimen in Deutschland.

Die tiefe Feindseligkeit gegenüber Juden ist heute in Deutschland immer häufiger anzutreffen. Oder wie es die Süddeutsche Zeitung Mitte 2020 formulierte und aus einer Akte des Verfassungsschutzes zitierte, die seit 2015 antisemitische Vorfälle von Muslimen in Deutschland sammelt. Eine Fallsammlung die entsetzt. Denn alle nennenswerten islamistischen Organisationen in Deutschland sind demnach antisemitisch eingestellt.

Nun sind allerdings mutmaßlich nicht alle der muslimischen Demonstranten, die auf den Straßen unterwegs sind und Israel beschimpfen, Islamisten. Wahrscheinlich die wenigsten. Es sind dezentral untergebrachte, zugewanderte, Nachbarn aber auch Türken, die ihre türkische Landesfahne schwenken zu Hetzchören wie „Scheiß Juden!“.

Der Verdacht liegt hier leider nahe, dass der Antisemitismus auch in Teilen der Mitte der muslimischen Community ein Zuhause hat. Die Süddeutsche spricht mit Verfassungsschutzpräsident Haldenwang und schreibt: „Aber es hänge von viele Zufällen ab, welche antisemitischen Vorfälle ihnen zu Ohren kämen. Zumal sie nur extremistische Szenen ins Visier nehmen dürfen, nicht den Alltags-Antisemitismus darüber hinaus.“ Einen Imam in Deutschland zitiert die Zeitung über Juden predigend so: „Seid nicht wie die Wesen, die weniger wert sind als die Tiere.“

All das kommt bei Boris Palmer nicht vor. Stattdessen setzt der Oberbürgermeister von Tübingen ein Post Scriptum, dass pauschal AfD-Mitglieder, -Politiker, -Anhänger und -Wähler zu Antisemiten macht. Diese AfD-affinen Menschen dürften nach Palmer erst dann einen muslimischen Antisemitismus kritisieren, wenn sie einen, von Palmer in der AfD behaupteten, bekämpfen würden.

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Sagt ein führendes Mitglied der Grünen. Sagt der grüne Oberbürgermeister von Tübingen. Einer der zwei Parteivorsitzenden der AfD, Jörg Meuthen, erklärte schon im Oktober 2019, „Israel-Hass gehört zur DNA der Grünen und der Linken.“ Hier bekämpfen sich also politische Parteien in Deutschland und bezichtigen sich gegenseitig des Antisemitismus, wo es doch zur DNA dieses Landes gehören sollte, Antisemitismus parteiübergreifend zu bekämpfen.

Dr. Jaroslaw Poljak, Mitglied der AfD und auch der Bundesvereinigung „Juden in der AfD“ sagt zu Boris Palmers Aussage:

„Boris Palmer hat die Chance vertan das Kind beim Namen zu nennen und ein Statement an Juden in Deutschland zu senden. Stattdessen macht er mit seiner Aussage zu „unglaubwürdig ist Solidarität in dieser Frage von Menschen, die sich mit AfD-Profilen schmücken.“ aus einem guten Facebook-Post, nur einen ‚gut gemeinten‘.

Nein, nicht jeder Muslim ist ein Antisemit. Genauso wenig ist jeder AfDler einer. Das Ausmaß an Antisemitismus in diesem Land ist schon fast ein nationales Problem. Wir sehen jetzt einen starken islamisch geprägten Judenhass auf deutschen Straßen. Viele Politiker der Altparteien versuchen jetzt mit dem politischen Zeigefinger von ihrem eigenen Bild der Unfähigkeit abzulenken, indem sie fälschlicherweise auf die Oppositionspartei – die AfD – zeigen. Dabei waren es keine AfD-Politiker, die den Mullahs in Teheran Aufwartungen gemacht haben.“

Dr. Jaroslaw Poljak

Auch die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt über Antisemitismus. Sie zitiert dafür die frühere Bundesvorsitzende Frauke Petry, die meinte, die Partei sei Garant jüdischen Lebens. Und da wird es interessant bei der Bundeszentrale. Der Hauptvorwurf gegen die AfD in Sachen Antisemitismus geht nämlich zusammengefasst so: Weil die AfD Antisemitismus „primär bei Flüchtlingen und Muslimen“ sieht, käme eben die Betrachtung eines „Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft und in der eigenen Partei“ zu kurz. Das ist nun allerdings so perfide, wie das Post Scriptum von Boris Palmer.

Fast kleinlaut ergänzt die Bundeszentrale für politische Bildung noch zu Judenfeindschaft unter Flüchtlingen: „Eine solche gibt es sicherlich, auch wenn es an genauen Forschungsbefunden darüber noch mangelt.“ Die Frankfurter Rundschau schrieb Anfang 2019, Eldad Beck, israelischer Korrespondent in Berlin für das Hausblatt des Premierministers Netanjahu, hätte geschrieben, „die AfD sei weder eine Neo-Nazi-Partei noch rassistisch und antisemitisch, obgleich einige Mitglieder solche Meinungen verträten.“

Während sich also Boris Palmer – sicher auch unter dem Eindruck eines drohenden Parteiausschlussverfahrens – via Facebook öffentlich mit der bewegenden Geschichte seiner Familie beschäftigt, also seinen grünen Parteifreunden damit auch ein eindrucksvolles Signal seiner antirassistischen DNA liefern will, meint er, nicht darum herumzukommen, abschließend in den Wahlkampf einzugreifen und mit der AfD den Oppositionsführer im Deutschen Bundestag beschmutzen zu müssen.

Palmer ist Vertreter der kleinsten Partei im Deutschen Bundestag, die Häufigkeit von Palmers Talkshow-Auftritten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hingegen könnte suggerieren, er wäre Mitglied einer der ehemaligen Volksparteien oder des Oppositionsführers. Die AfD allerdings wird vom ÖR nicht mehr eingeladen im Wahlkampfjahr.

Post Scriptum: Palmer ist die Ungleichheit herzlich egal. So wie es der Talkshow-Königin Sahra Wagenknecht ebenfalls egal ist. Zwei politische Gestalten, die damit kokettieren, sich in ihren alten Uniformen nicht mehr wohlzufühlen. Zwei Politiker, die einem eigentlich egal sein könnten.

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