Auf Friedensmission: Franziskus bittet um eine Audienz in Moskau

Der Papst will Putins Panzer stoppen

von Alexander Wallasch

Papst Franziskus ruft mit einem Gleichnis dazu auf, Waffenlieferungen in die Ukraine aktiv zu boykottieren – es wäre „eine nette Geste“.© Quelle: © Quelle: Screenshot / YouTube, BR24, FOCUS Online und WION, Bildmontage: Alexander Wallasch

Was für eine überraschende Wendung: Der Papst versöhnt sich mit jenen konservativen deutschen Katholiken, die immer noch ihrem strengen Benedikt XVI. hinterhertrauern. Zumindest mit jenen, die aktuell den grünen Kriegstreibern nicht folgen mögen und sich als wahre Konservative beweisen wollen. Denn ein gewichtiger Teil der vermeintlich konservativen Szene in Deutschland feiert in der Ukraine-Frage die Haltung der Ampel-Regierung.

Endlich einmal könnte es von Nutzen sein, dass der höchste Thron im Vatikan seiner Idee nach von tagespolitischen Stimmungen und dem Zeitgeist entkoppelt ist. In der Ukraine-Frage wäre so eine Haltung frei von Kriegsgeschrei und Waffengeklirr eine Chance auf Frieden.

Ist das der große Moment des Franziskus? Schafft er es, die Bergpredigt über die nicht enden wollende Kriminalgeschichte seiner Kirche hinweg lebendig werden zu lassen?

Der Papst setzt auf Verhandlungen, er will nach Moskau fliegen, Putin tief in die Augen schauen, ihm beide Wangen hin- und standhalten: Herr Putin, beenden Sie diesen Krieg im Namen der Menschlichkeit und für die ganze Menschheit!

Für große Aufregung sorgte ein Interview seiner Heiligkeit mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“. Dass Franziskus hier im Gespräch den Krieg verurteilt, ist keine Überraschung. Für einen richtiggehend polit-medialen Aufstand sorgte allerdings erst die päpstliche Kritik an der US-amerikanischen Rolle in diesem Krieg.

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Dass ihm diese Kritik leichter über die Lippen kam, mag an der südamerikanischen Herkunft des Papstes liegen. Der Kontinent bekam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf blutige Art und Weise das Selbstverständnis der USA als Weltmacht zu spüren.

Im Interview erklärt der Papst, dass das „Bellen“ der Nato an Russlands Tür zu Putins Invasion in die Ukraine geführt haben könnte. Er würde zwar nicht so weit gehen, zu sagen, dass die Nato-Präsenz in den Nachbarländern Moskau „provoziert“ habe, aber sie habe die Invasion „vielleicht erleichtert“.

Was von den berichtenden Medien allerdings kaum aufgegriffen wurde: Papst Franziskus rief im Gespräch zu einer Art zivilem Ungehorsam gegen Waffenlieferungen auf.

Das Oberhaupt der katholischen Kirche erzählte der italienischen Zeitung von Hafenarbeitern aus Genua, die sich vor ein paar Jahren geweigert hatten, ein Frachtschiff umzuladen, das Waffen in den Jemen transportieren wollte. Dieses Beispiel von Ungehorsam wird bei Franziskus zum Gleichnis, mit dem er sich kritisch gegenüber Waffenlieferungen in die Ukraine positioniert:

„Vor zwei oder drei Jahren kam ein mit Waffen beladenes Schiff in Genua an, die auf ein großes Frachtschiff umgeladen werden mussten, um sie in den Jemen zu transportieren. Die Hafenarbeiter wollten das nicht. Sie sagten: ‚Denken wir an die Kinder des Jemen.‘ Es ist eine Kleinigkeit, aber eine nette Geste. Davon sollte es so viele geben.“

Nach Auffassung des Papstes testen die Russen mit ihrem Einmarsch in die Ukraine zunächst ihr Waffenarsenal. So wüssten sie jetzt, so Franziskus weiter, dass Panzer wenig nutzen und schauten sich nach anderen Dingen um. Für einen Mann der Kirche ist das in Sachen Waffenkunde erstaunlich detailreich. Und es beleuchtet wie nebenbei auch den Unsinn, deutsche Panzerlieferungen zu genehmigen.

Für Franziskus werden Kriege geführt, um die produzierten Waffen zu testen, das wüsste er noch vom Spanischen Bürgerkrieg („Le guerre si fanno per questo: per provare le armi che abbiamo prodotto“). Außerdem prangert der Papst den internationalen Waffenhandel an.

Der Vatikan hat Putin jetzt signalisiert, dass der Papst bereit wäre, nach Moskau zu kommen. Die Einladung muss allerdings vom russischen Präsidenten ausgesprochen werden.

Aber wer hatte eigentlich in Deutschland zuletzt die Idee, dass nur Verhandlungen Kriege beenden und nicht Waffenlieferungen? Die Evangelischen Kirchen Deutschlands (EKD)? Nein, die grünpopulistische EKD titelte zuletzt in ihrer Hauspostille „Waffenlieferungen an Ukraine gerechtfertigt“.

Tatsächlich fungiert die ehemalige Kommunistin Sahra Wagenknecht allein auf weiter Flur als Friedensengel und bekam jetzt ausgerechnet vom Oberhaupt der katholischen Kirche Schützenhilfe.

Ironie der Geschichte, dass es ausgerechnet die Sowjetunion war, welche den Vereinten Nationen 1959 die Bronzeskulptur „Schwerter zu Pflugscharen“ schenkte. Die Skulptur sollte damals nicht weniger symbolisieren als den Anspruch der Sowjetunion, die große Weltfriedensmacht zu sein.

Als Nachtrag hintendran: Vielleicht erinnert sich noch jemand daran, dass Gregor Gysi (damals noch PDS) vor über 20 Jahren als erster deutscher Politiker nach Beginn der NATO-Angriffe nach Jugoslawien gereist war, um in Belgrad eine Stunde mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic zusammenzutreffen.

Gysi hatte auf seiner Mission auch mit Vertretern der Kirchen getroffen. Er sprach sowohl mit Patriarch Pavle, dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche, sowie mit dem Vertreter der muslimischen Gemeinde. Im „ARD-Morgenmagazin“ betonte Gysi seinerzeit die wichtige Rolle, welche die Kirchen in der Frage spielten, wie eine Beendigung des Krieges zu erreichen sei.

Der Papst folgt jetzt gewissermaßen Gysi nach. Nein, natürlich folgt er Petrus nach: Franziskus möchte Friedenstifter sein. Wer, wenn nicht er? Die Kirche hat viele Leichen im Keller angesammelt. Es wird Zeit, dass sie sich wieder ein paar ihrer hehren Aufgaben bewusst wird. Und der Aufgabenzettel in der Bibel ist ja lang genug: „Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen“, oder „Die, so Böses raten, betrügen; aber die zum Frieden raten, machen Freude“.

Irritierend an Franziskus Reisewünschen bleibt, dass er einen Termin mit Kyrill I., dem Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, mit dem Argument absagte, es „könnte ein zweideutiges Signal sein“. Angesichts der anschwellenden polit-medialen Hetze gegen Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten dürfte das vom Papst anvisierte Treffen mit Putin der deutlich kniffligere Termin sein.

Es gibt keine Alternative zu Verhandlungen. Ebenso, wie hier die alte militärische Weisheit Gültigkeit behält, dass beide Seiten vor Verhandlungen bestrebt sein werden, ihre eigene Position zu halten oder noch zu verbessern. Das spräche dann bedingt wieder für Waffenlieferungen in die Ukraine. Auf jeden Fall für sehr schnelle Verhandlungen, denn noch ist die Ukraine nicht verloren.

Der Papst wartet jetzt auf seinen Termin bei Putin am langen Tisch in Moskau. Europa, die Welt und beide Kriegsparteien sollten sich wünschen, dass er ihn schnell bekommt und dass auch etwas dabei herumkommt.

Auch beide Gesprächspartner könnten dabei etwas gewinnen: Der Papst kann seinen Verein wieder zu einer Friedensmission Richtung Urkirche umgestalten. Und Putin bekommt die unerwartete Chance, ohne größeren Gesichtsverlust eine Art Rückzug einzuleiten. Immerhin bittet da ja nicht irgendwer, sondern der Chef der größten religiösen Institution auf Erden mit weit über einer Milliarde Mitgliedern. Da kann man schon mal „Да“ sagen.

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