„Excuse me, I am not convinced“

Die grüne Kriegspartei – Fliegen bald Farbbeutel gegen Habeck, Baerbock und Co?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

Wahlslogan der Grünen zur Bundestagswahl 2021: „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete. Bereit, weil ihr es seid.“© Quelle: © Quelle: Screenshot / YouTube, phoenix, Bildmontage: Alexander Wallasch

Ricarda Lang, die neue Chefin der Grünen war gerade fünf Jahre alt, als der damalige Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer auf einem Parteitag in Bielefeld im Mai 1999 einen Farbbeutel mit Theaterblut an den Kopf bekam.

Der damals 37-jährige Farbbeutelwerfer Samir Fansa ist heute Regisseurin und Transfrau. Aber was war der Anlass für den Farbbeutelwurf?

Als Fischer nach dem Farbbeutelwurf erneut ans Podium trat, wurde er von einem gellenden Pfeifkonzert einiger Delegierter empfangen. Hinter ihm an der Wand stand das Motto des damaligen Parteitages: „Frieden und Menschenrechte vereinbaren“. Das war dann wohl doch zu viel Zynismus für ein paar unverbesserliche Friedensbewegte, die sich nicht damit abfinden wollten, dass ausgerechnet unter grüner Regierungsbeteiligung Deutschland mitten in Europa wieder in den Krieg zieht.

Vor dem Parteitagspodium war ein Mann an Mann Polizeischutz aufgestellt. Polizeischutz für die Führung der grünen Partie gegen ihre eigenen Delegierten.

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Vom Rednerpult herunter musste sich Fischer anhören, er sei ein „Kriegshetzer“, der Außenminister reagierte so: „Ja, hier spricht ein Kriegshetzer und Milosevic schlagt ihr demnächst für den Friedensnobelpreis vor, nicht wahr?“ Und zum Anschlag mit dem Farbbeutel: „Mit Farbbeuteln wird diese Frage nicht gelöst werden.“

Sie wurde dann doch gelöst: Die Bundeswehr beteiligte sich am Nato-Einsatz im Kosovo mit dem Argument, die Albaner vor den Serben beschützen zu wollen. In Fischers Rede zum BW-Einsatz fiel auch die unsägliche Auschwitz-Relativierung:

„Auschwitz ist unvergleichbar. Aber ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen.“

Der streitbare deutsche Brigadegeneral Heinz Loquai kommentierte den Vergleich mit Auschwitz damals folgendermaßen:

„Hier muss ich mich wirklich beherrschen, weil der Vergleich mit Auschwitz und der Situation im Kosovo eine ungeheuerliche Behauptung ist. Man muss sich als Deutscher schämen, dass deutsche Minister so etwas getan haben, denn ein normaler Mensch, ein normaler Deutscher, wird vor Gericht zitiert, wenn er in derartigem Ausmaße Auschwitz verharmlost. Und dass ein deutscher Minister von KZs im Kosovo sprach, ist auf der gleichen Linie, denn KZs sind Einrichtungen einer bestimmten historischen Situation, nämlich der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland. Und ich finde es im Grunde genommen ungeheuerlich, dass gerade Deutsche diese Vergleiche gewählt haben.“

Und Norma Brown, eine US-Diplomatin im Kosovo bemerkte zum Nato-Einsatz später:

„Bis zum Beginn der Nato-Luftangriffe gab es keine humanitäre Krise. Sicher, es gab humanitäre Probleme, und es gab viele Vertriebene durch den Bürgerkrieg. Aber das spielte sich so ab: Die Leute verließen ihre Dörfer, wenn die Serben eine Aktion gegen die UCK durchführten - und kamen danach wieder zurück. Tatsache ist: Jeder wusste, dass es erst zu einer humanitären Krise kommen würde, wenn die Nato bombardiert.“

Der WDR titelte viele Jahre später in der Rückschau: „Es begann mit einer Lüge - Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg“. Der Beitrag macht klar, dass die Bundeswehr nur eingesetzt werden durfte, um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden - die allerdings wurde durch den Einsatz der Nato erst ausgelöst.

Aber zurück zum Farbbeutelattentat 1999 in Bielefeld. Die Wurfkünstlerin Fansa erzählte rückblickend, Fischer hätte ihr angeboten, die Anzeige zurückzuziehen, wenn sie bereit wäre, ein Schmerzensgeld zu zahlen, sein Trommelfell war vom Wurf verletzt worden. Fansas Antwort damals:

„Ich habe dann gesagt, für die Ohrverletzung würde ich zahlen. Denn die hätte ich ja nicht beabsichtigt. Ich würde auch drei Deserteure aufnehmen, unter anderem einen der Nato-Truppen. Dafür müsse er die Angehörigen entschädigen, die bei sogenannten Kollateralschäden durch deutsche Waffen ermordet worden seien. Damit war der Versuch einer gütlichen Einigung für Fischer vom Tisch, und es kam zu einem öffentlichen Prozess.“

Fansa wurde später zu 3600 Mark Schadensersatz verurteilt. Das von Anhängern der Verurteilten geplante Entrollen eines Plakats im Gerichtssaal mit der Aufschrift "90 Luftangriffe - 1500 zivile Tote" wurde vom Gericht untersagt.

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Seinen beschmierten Anzug gab Joschka Fischer später an das Haus der Geschichte. Dort wird auch der Farbbeutel ausgestellt. Turnschuhe, die Fischer bei seiner Vereidigung als erster grüner Landesminister trug, sollen dort ebenfalls noch irgendwo in einer Vitrine vor sich hin duften.

Original Beitrag von Haus der Geschichte auf Twitter

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Ricarda Lang, die neue Chefin der Grünen war also fünf Jahre alt, als die Grünen mitten in Europa in den Krieg zogen. Lang nämlich gab jetzt gegenüber der Welt hinter der Bezahlschranke den Fischer, als sie erklärte: „Friedenspartei muss die Friedensordnung verteidigen, wenn sie angegriffen wird.“

Die Lieferung schwerer deutscher Waffen in die Ukraine ist für die Grünen-Chefin „gerade wegen grüner Prinzipien geboten“. Man darf demnach gespannt sein, ob hier die Gefahr besteht, dass ein Kleidungsstück von Lang bald ebenfalls den Weg von einem grünen Parteitag ins Museum findet.

Das nächste Zusammentreffen der grünen Führung findet bereits am kommenden Samstag in Düsseldorf statt . Lang zeigt sich hier gegenüber ihren grünen Parteifreunden ganz unbesorgt: „Da ist kein Aufräum-Kommando für Farbbeutel geplant ...“

Jetzt kann man relativ sicher sein, dass bei grünen Parteitagen nicht das gleiche passiert, wie bei solchen der AfD, wo sich Radikale und Extremisten vor dem Veranstaltungsort versammeln – mutmaßlich auch mit Farbbeuteln bewaffnet.

Zuletzt wurde ein Wahlplakat der Grünen populär, das noch einmal daran erinnert, mit welchem Slogan die Grünen zur letzten Bundestagswahl angetreten waren: „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete. Bereit, weil ihr es seid.“

Zynisch müsste man fast anmerken, dass ein „Allzeit bereit!“ hier deutlich angebrachter gewesen wäre. Kosovo, Afghanisten, Ukraine – die grüne Friedenspartei arbeitet gerade mit Hochdruck daran, dass demnächst nach 80 Jahren wieder deutsche Soldaten russischen Soldaten mit der Knarre in der Hand gegenüberstehen.

Also ganz im Sinne von Ricarda Lang und hier als Zitat einer Friedensbewegten aus der RAF wiedergegeben: „Nur die Knarre löst die Starre“. Klar, warum auch sollte der bewaffnete Kampf an deutschen Grenzen halt machen?

Aber was wäre die Alternative? In Westdeutschland demonstrierten in den frühen Achtzigerjahren Zehntausende gegen Aufrüstung, auch die Grünen verstanden sich lange als Friedenspartei. Und in der DDR wurde der Mauerfall von friedensbewegten Gruppen angestoßen.

Was können, was sollen, was müssen wir tun? Deutschland hat hunderttausende ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Staatliche Stellen und die Zivilgesellschaft organisieren Hilfstransporte. Aber hat die Politik wirklich alles getan, um auf diplomatischem Wege diesen Krieg zu beenden? Ein nachdenklicher und auf seine Weise tatsächlich friedensbewegter Olaf Scholz wurde von den versammelten deutschen Altmedien als großer Zauderer angegriffen und sogar schon zum Rücktritt aufgefordert.

Dennoch hielt der Bundeskanzler noch ein paar Tage stand, bis er den deutschen Panzerlieferungen auf Druck der Nato nachgab. Nach dem Treffen von vierzig Nationen auf dem Luftwaffenstützpunkt der USA im deutschen Rammstein (Nato-Kommandobehörde) knickten alle Bedenken weg. Die USA lobten anschließend Deutschland nach Zusage der Panzerlieferungen als „wichtigsten Verbündeten im Ukraine-Krieg“. Und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte: „Wir sind heute entschlossener denn je, der Ukraine beizustehen.“

Wer jetzt also behauptet, die Nato unter US-Befehl führe längst Krieg in der Ukraine, der hat dafür ein paar schlagkräftige Argumente auf seiner Seite. Nein, die Grünen sind keine Friedenspartei.

Ironie der Geschichte – oder ein großer Zynismus von Joschka Fischer himself: Eines seiner autobiografisch-therapeutischen Aufarbeitungsbücher trägt den Titel: „I am not convinced“.

Zum Schluss etwas beinahe Versöhnliches: Etwa vier Jahre nach dem Farbeutelabwurf lehnte sich der grüne Außenminister Anfang Februar 2003 zu Beginn der Sicherheitskonferenz in München gegen die übermächtige USA auf. Er schleuderte dem anwesenden US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mit sich überschlagender Stimme entgegen, er sei nicht überzeugt von einem Krieg gegen den Irak: „Excuse me, I am not convinced.“

Untergegangen hinter dem viel zitierten Ausspruch sind die weiteren Worten die Fischer damals sprach: „I can not go to the public and say, well, lets go to war, because there are reasons and so on and I don't believe in that“ (Ich kann nicht an die Öffentlichkeit gehen und sagen: Gut, lasst uns in den Krieg ziehen, denn es gibt Gründe und so weiter, und selber gar nicht daran glauben).

Joschka Fischer - "Excuse me, I am not convinced"

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