Der Süddeutschen Zeitung sind E-Mails aus dem Innenministerium der letzten Tage von Nancy Faeser im Amt zugespielt worden, die offenbar klar belegen und bestätigen, dass die Sozialdemokratin mit Blick auf die AfD ihre Funktion missbraucht und die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ politisch betrieben hat.
Konkret geht es um die Frage, ob Faeser den Verfassungsschutz darauf gedrängt hatte, noch zwei Tage vor ihrer Verabschiedung die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ vorzunehmen bzw. bekanntzugeben. Und dass, obwohl die Rest-Ampel (ohne FDP) längst abgewählt und die Regierung Merz (ohne Faeser) unmittelbar in den Startlöchern stand.
Der Vorgang ist vor allem auch deshalb ungewöhnlich, weil der Verfassungsschutz, der dem Innenministerium untersteht, einen 1100 Seiten langen Bericht zur Einstufung erst wenige Tage vor der Bekanntgabe fertiggestellt haben soll. Üblicherweise folgt dann eine zeitaufwendige Prüfung durch das Ministerium selbst. Später wurde der Bericht geleakt, und es wurde deutlich, dass diese 1100 Seiten, die nicht veröffentlicht werden sollten, mit besonders heißer Nadel gestrickt wurden.
1100 Seiten einer Sammlung überwiegend öffentlich zugänglicher AfD-Aussagen, kaum Neuigkeiten und eine breite Fährte an Interpretationen der Behörde in Richtung „gesichert rechtsextrem“. Hier sollte offenbar die schiere Masse beeindrucken, ohne dass der Inhalt – zumindest offiziell – bekanntgemacht wurde.
Was fürchtete Nancy Faeser? Fürchtete sie wirklich ihren Nachfolger Alexander Dobrindt, der nach Lesung des Gutachtens zum Schluss hätte kommen können, dass diese Sammlung des Verfassungsschutzes (BfV) unter seiner Vorgängerin nicht dafür taugt, die AfD als „gesichert rechtsextrem“ einzustufen?
Zur Wahrheit gehört, dass Nachfolger Alexander Dobrindt die Einstufung selbst nicht bezweifelt hat, und das, obwohl ihm das umstrittene Gutachten schon vor dem Leak vorlag. Der CSU-Minister hatte lediglich in Zweifel gezogen, dass das Material für ein Verbotsverfahren reicht. Hier arbeiten Vorgängerin und Nachfolger Hand in Hand, die Faesers-Partei ist weiterhin in der Regierung. Nur Faeser wurde ausgetauscht.
Den der Süddeutschen Zeitung (SZ) zugespielten E-Mails ist nun zu entnehmen, dass Faeser bereits am Morgen des 2. Mai über ihren Staatssekretär Hans-Georg Engelke den Inlandsnachrichtendienst angewiesen hatte, die neue Einstufung noch am selben Tag öffentlich bekannt zu geben, wie die „Welt“ aus der SZ zitiert.
Kurz nach der Bekanntgabe hatte Nancy Faeser noch betont, dass das neue Gutachten des BfV das Ministerium erst am 28. April erreicht habe. Ergänzend bemerkte sie ungefragt, sie bzw. ihr Ministerium habe keinen Einfluss auf den Inhalt und die Entscheidung des Bundesamtes genommen.
Aber auch hier kann man die Informationen der SZ anders lesen. So soll die Auswertung der zuvor verschlüsselten E-Mails aus zwei Jahren ergeben haben, dass diese internen E-Mails des BfV und solche zwischen dem BfV und dem Innenministerium durchaus belegen, „wie eng das Ministerium vom Nachrichtendienst informiert“ wurde, wie die SZ zitiert wird.
Die SZ erteilt Merz und Dobrindt eine Art Persilschein, die beiden wären ebenfalls erst einen Tag vor der kurzfristigen Veröffentlichung informiert worden. Aber wie glaubwürdig ist das, wenn es von der regierungsnahen SZ kommt? Denn nichts steht darüber, ob Merz und/oder Dobrindt dagegen protestiert und etwa Druck auf ihren zukünftigen Koalitionspartner ausgeübt haben, die Prüfung und spätere Veröffentlichung des Gutachtens besser Nachfolger Dobrindt zu überlassen.
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Man muss auch darüber nachdenken, warum ausgerechnet die SZ – über Jahre inoffizielles Sprachrohr der Ampelregierung – diese E-Mails zugespielt bekommen hat. Hier wären andere Adressaten logischer gewesen, so wie die SZ eben auch die RKI-Leaks nicht gespielt bekommen hatte, sondern ausgewiesene Kritiker des Corona-Regimes. Gegen einen von ihnen – Prof. Stefan Homburg – wird bis heute wegen dessen kritischer Haltung ermittelt, für Anfang August ist in Hannover ein bizarrer Prozess angesetzt.
Hier kann man nur spekulieren, warum ausgerechnet die SZ. Entlang ihrer Berichterstattung soll jedenfalls der Eindruck entstehen, Faeser habe zwar das Datum bestimmt, aber nicht den Inhalt. Das ist allerdings schon deshalb Unfug, weil auch von einer engen Zusammenarbeit zwischen BfV und Ministerium die Rede ist, davon, wie die „Welt“ aus der SZ zitiert, „wie eng das Ministerium vom Nachrichtendienst informiert“ wurde.
Ebenso muss man entlang seiner Kommentare, Auftritte und Maßnahmen davon ausgehen, dass der damalige oberste Verfassungsschützer Haldenwang dem Ministerium gegenüber alles andere als souverän aufgetreten ist. Haldenwang hat den Verfassungsschutz nach dem Rauswurf von Hans-Georg Maaßen als dessen Nachfolger explizit zu einem politischen BfV umgebaut.
Hier musste sich Nancy Faeser gar nicht einmischen, Haldenwang war einhundertprozentig auf Kurs. Schon ihr Vorgänger Horst Seehofer soll gegenüber Haldenwang eine Hochstufung der AfD abgemildert und eine Änderung eines Vorgängergutachtens veranlasst haben. Medien berichteten: „Nach einem Treffen mit dem Minister schwächte das Bundesamt demnach manche Passagen ab.“
Rechtsprofessor Volker Boehme-Nessler hatte schon kurz nach der Veröffentlichung der Einstufung auf den letzten Drücker in einem Gastartikel im „Cicero“ befunden:
„Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz zeigt: Nancy Faeser beendet ihre Amtszeit so, wie sie von Anfang an war: parteipolitisch ausgerichtet und ideologisch fixiert. Es geht um das Einschüchtern Andersdenkender.“
Und weiter befand Prof. Boehme-Nessler damals:
„Das ist ein Skandal. Ein Geheimdienst mischt sich in den politischen Wettbewerb der Parteien ein, indem er eine Partei stigmatisiert. Wie er zu diesem Urteil kommt, belegt er nicht. Wie es sich für einen Geheimdienst gehört, hält er seine Unterlagen geheim. Von den Bürgern wird erwartet, dass sie dem Geheimdienst vertrauensvoll glauben. Das kennt man aus Diktaturen. In einer rechtsstaatlichen Demokratie ist das skandalös.“
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Kommentar von Palmström
Frau Faeser hat so gehandelt wie sie nach ihrer inneren Einstellung handeln mußte. Diese „Einstufung“ mußte noch schnell her um bundesweit eine Argumentationshilfe gegen eine Partei die aufstrebt und aus der breiten Masse Wählerstimmen holt.
Die Erfolgte „Einstufung“ ist an und sich Quatsch und die Art des „Berichtes“ sowieso. So ein Bericht muss vom Parteiprogramm und Wahlprogrammen ausgehen und das mit dem realen Erscheinen der Partei abgleichen um dann festzustellen inwiefern konkret und maßgeblich gegen das GG gehandelt oder in Frage gestellt wird. Als dann am Ende es zu einem Fazit aber nicht zu einer Beurteilung kommt.
Der Einsatz des VS als politische Institution, die in einem Mega-Bericht mit einem juristisch irrelevanten Statement endet ist nicht akzeptabel und müßte durch die Parlamentarier scharf angegangen werden. Im Bund und den Ländern. Es geht hier um die Wahrung der Rechts und der Unterbindung das sich Parteien des Staates bedienen im Generellen und nicht nur um diesen Fall.
Zur Erinnerung in der DDR fungierte der gesamte Staat als Machtapparat einer Partei mit politischen Anhang, ganz im „Einklang“ mit der Verfassung.