Hier brächte es laut Wagenknecht vor allem eine ordentliche, eine richtige Teststrategie:
„Ich finde das eigentlich skandalös, dass sich die Stiftung Patientenschutz zu Wort melden musste, weil es wieder einen Ausbruch gab, und darauf hingewiesen hat, dass das immer noch nicht gemacht wird, also dass jeder Pfleger, jeder Besucher konsequent getestet wird, auch mit hochwertigen Tests, die auch wirklich anschlagen, wenn etwas da ist.“
Demgegenüber hält die Politikerin den größten Teil der weiteren Maßnahmen schlicht für unsinnig. Sahra Wagenknecht möchte nicht, dass Kinder sieben Stunden in der Schule eine Maske tragen müssen oder dass Familien per Gesetz bei Hochzeiten und Beerdigungen ihre ungeimpften Verwandten ausladen müssen. All das müsse man aufheben - so wie es im Übrigen viele andere europäische Länder ja auch inzwischen längst beschlossen hätten.
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Die Aussage von Olaf Scholz, dass Deutschland in der Pandemie-Entwicklung so grandios dastehe, findet Wagenknecht wirklich kühn. Sie habe sich vor kurzem mal die Zahlen der letzten drei Monaten in Sachen Coronatote in Westeuropa angeguckt. Und da sei Deutschland eines der Länder, die mit am schlechtesten dastünden:
„Bei uns sind in den letzten drei Monaten relativ viele Menschen gestorben. Und zwar mit Corona oder an Corona - also das wird ja nicht unterschieden -, aber man kann ja nur mit den Zahlen arbeiten, die es gibt.“
Wagenknecht vergleicht Deutschland mit der Schweiz, die eine deutlich niedrigere Impfquote habe, trotzdem seien dort weniger Menschen gestorben: „Zu sagen, wir sind hier besonders gut durch die Pandemie gekommen - gerade für die letzten drei Monate - das sind falsche Fakten.“
Der Interviewer will wissen, was Deutschland falsch gemacht habe.
Wagenknecht antwortet: „Meines Erachtens (nach) haben wir falsche Maßnahmen gehabt. Also zum Beispiel diese ganzen 2G Regeln, die beruhen ja auf der These, dass Geimpfte deutlich seltener oder fast gar nicht das Virus übertragen und bei Ungeimpften, dass die viel infektiöser sind. Wir sehen aber jetzt spätestens bei Omikron, Geimpfte können sich genauso anstecken, Geimpfte können andere genauso anstecken.“
Die anderen Länder hätten da offensichtlich Maßnahmen gemacht, die die Menschen eher akzeptieren konnten, die sie logischer fanden, so die Linkspolitikerin. „Sie haben wahrscheinlich viel besser getestet, zum Beispiel.“ Für Wagenknecht macht es den Unterschied aus, wenn die Leute sehen, dass Maßnahmen gemacht werden, die sie akzeptieren, an die sie sich halten können.
„Deutschland hat im Herbst zunächst mal die Geimpften in der Sicherheit gewiegt sie, könnten niemanden anstecken, und immer noch wird das so ein bisschen so kommuniziert. Und das sind natürlich gravierende Fehler.“, schreibt Wagenknecht der Bundesregierung ins Stammbuch.
Andere Länder hätten deutlich früher auch eine gewisse stärkere Lockerung zugelassen. „Dadurch gab es in anderen Ländern schon mehr Genesene, also mehr Menschen, die es schon durchhatten. Schweden zum Beispiel hatte gar keine vierte Welle, die ist ausgefallen. Erst Omikron ist dann wieder infektiös geworden. (…) Wenn wir behaupten, wir seien besonders gut, dann stimmt das nicht. Wir hatten besonders viele willkürliche - auch willkürlich veränderte Maßnahmen - also wo dann über Nacht über eine RKI Seite mal eben ein paar Millionen Menschen festgestellt haben, okay, ich darf am nächsten Tag nicht mehr zum Friseur gehen.“
Der Impfpflicht, die Scholz jetzt für Oktober sieht, erteilt Sahra Wagenknecht eine klare Absage:
„Wir wissen überhaupt nicht, welche Varianten im Herbst kommen. Wenn es bei Omikron bleibt und bei der jetzigen Krankheitsschwere - bei den milden Verläufen - ist es völlig unverhältnismäßig, Menschen zu verpflichten, sich zu impfen, weil die meisten - also ich hatte es ja auch, ich hatte einen Schnupfen.“
Die Politikerin findet, dass man durchaus bei Älteren nochmal für das Impfen werben könne, aber alle Menschen zu verpflichten, junge Leute zu verpflichten, sich impfen zu lassen bei einer Krankheit, die gar nicht mehr diese Schwere habe, das findet Wagenknecht nicht angemessen.
Ein Kernsatz der prominenten Politikerin in diesem Interview lautet: „Wenn nochmal gefährliche Mutanten kommen im Herbst, wissen wir doch gar nicht, ob die jetzigen Impfstoffe wirken.“
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Und Wagenknecht berichtet auch, dass Omikron eine Fluchtmutante sei, die den Immunschutz umgeht. Und wenn es weitere Mutanten gebe, dann sei es sehr wahrscheinlich, dass das noch mehr solcher Fluchtmutanten seien, wo der Impfschutz - auch der Genesenenschutz - wahrscheinlich nicht mehr so wirkt.
Wagenknecht erinnert zudem daran, dass wir inzwischen deutlich bessere Behandlungsmethoden haben, auf die man sich mehr konzentrieren müsse. Vor allem bei gefährdeten Gruppen sei es sinnvoll, frühzeitig Medikamente einzusetzen: Man dürfe die Leute nicht nach Hause schicken und erst behandeln, wenn es zu spät ist.
Wagenknechts Fazit in diesem Punkt lautet: „Da ist man doch inzwischen viel weiter. In der jetzigen Situation kann ich die Argumente für eine Impfpflicht überhaupt nicht mehr nachvollziehen.“
Und noch einmal erklärt die Politikerin, warum sie sich nicht hat impfen lassen:
„Ich habe für mich die Entscheidung getroffen aus bestimmten gesundheitlichen Erwägungen, dass ich mich nicht impfen lasse. Ich finde, jeder Mensch muss das Recht haben, das für sich zu entscheiden. Trotzdem gibt es natürlich Begründungen dafür, gerade wenn man älter ist, dass da nach wie vor da eine Gefahr besteht, auch mit Omikron. Es sterben auch immer noch Menschen mit Omikron, auch wenn es sehr viel weniger sind. Aber ein Teenager, der gesund ist, oder ein Mittdreißiger, der gesund ist, ist aktuell wirklich nicht mehr so akut gefährdet, dass wir jetzt sagen können, das würde das Gesundheitssystem überlasten, wenn er sich nicht impfen lässt. Weil wir haben diese Überlastung nicht mehr.“
Auch zur Frage der Verantwortung zwischen Geimpften und Ungeimpften äußert sich die Linkenpolitikerin gegenüber der Zeitung:
„Ich finde, niemand hat die Pflicht, andere zu beschützen. Also, wer sich gegen eine Impfung entscheidet, der nimmt das Risiko in Kauf, dann eben auch schwer krank zu werden.“
Einziges Argument des Staates, tätig zu werden, ist für Wagenknecht, wenn das Gesundheitssystem tatsächlich überlastet wäre, dann nämlich wäre die Allgemeinheit betroffen, ansonsten betreffe es weiter nur den Einzelnen:
„So wie ich niemanden verpflichten kann, nicht zu rauchen oder abzumagern, wenn er zu stark übergewichtig ist. Das macht ja der Staat auch nicht, das sind auch Gesundheitsrisiken.“
Also fragt Wagenknecht rhetorisch: „Kommen wir noch mal in eine Situation, dass das Gesundheitssystem überlastet werden könnte?“ Und da sähe es bei Omikron eben nicht so aus, selbst bei niedrigerer Impfquote in anderen Ländern gebe es keine Überlastung des Gesundheitssystems.
Dieses Argument kann man laut Wagenknecht nicht mehr bringen, das sei ihres Erachtens nach eine Frage jedes Einzelnen für sich, da gebe es keine Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber.
Für Sahra Wagenknecht geht es um elementare Einschränkungen von Grundrechten, die könne Herr Lauterbach nicht eigenmächtig entscheiden; die gehörten in das Parlament.
Abschließend erklärt die Politikerin den Zuschauern noch das Prinzip Lauterbach: Zunächst einmal hatte der still und heimlich dem RKI die Kompetenz zugeschanzt, „dann hat das RKI seine Kompetenz genutzt, dann war ihm das irgendwie peinlich, jetzt holt er es zurück.“
Prinzipiell ginge das auch nicht, dass ein Institut auf seiner Webseite über Nacht Regeln ändern kann, von denen Millionen Menschen mit einschneidenden Folgen betroffen seien, so Sahra Wagenknecht:
„Da geht es ja wirklich um viel, da geht es beispielsweise um Menschen in der Pflege, können sie noch arbeiten oder nicht? Das würde ja zum Beispiel am 15. März davon abhängen, ob sie als geimpft oder genesen gelten. Da geht es ja wirklich um ganz einschneidende Maßnahmen, das kann nicht auf einer Webseite geregelt werden.“
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