Überlebender in kurzer Hose mit Holzgewehr

Friedrich Merz als Statist in Trumps One-Man-Show: Ein Lehrstück in Demut und Demontage

von Alexander Wallasch (Kommentare: 14)

Merz in Trumps Oval Office© Quelle: WeltTV, Screenshot

Merz träumte von einem großen Auftritt im Oval Office, doch Trump machte ihn zum stummen Gast einer Pressekonferenz. Ein freundlicher, aber gnadenloser K.-o. – Sieg. Der Bundeskanzler wird diese Lektion so schnell nicht vergessen.

Friedrich Merz hat die Feuerprobe überstanden. Ein denkwürdiger Auftritt im Oval Office, der eigentlich ein Nichtauftritt war. Wenn man es kurz und knackig formulieren will, dann hat Trump seinen deutschen Gast eingeladen, als Zuschauer an einer Pressekonferenz mit Donald Trump teilzunehmen.

Merz kam zwei, drei Mal zu Wort, aber über Nettigkeiten niemals hinaus. Erst als Trump signalisierte, dass die kommende schon die letzte Frage sei, realisierte der Bundeskanzler immerhin, dass er noch ein klein wenig Widerspruch aufblitzen lassen müsse und erzählte die mindestens waghalsige Geschichte, dass nur russische Waffen Menschen töten oder so ähnlich.

Das war dann aber so durchsichtig, dass selbst Trump, der Streitlustige, Gnade vor Recht ergehen ließ und den verschrumpelten Ball gar nicht erst aufnahm.

Der kleine König traf den großen Kaiser. Für Merz ein Lehrstück, das er so schnell nicht vergessen wird, irgendwo angesiedelt zwischen dem Gefühl, nochmal davongekommen zu sein, und der wachsenden Gewissheit, in kurzen Hosen am goldverzierten Tisch gesessen zu haben. Die Gnade bestand darin, nicht aufstehen und den offenen Hosenboden zeigen zu müssen.

Dabei war Präsident Donald Trump durchaus respektvoll und freundlich zu seinem Gast. Kritische deutsche Zuschauer werden sich die bange Frage gestellt haben, wie teuer erkauft diese Freundlichkeit tatsächlich war und wie milliardenschwer das eigentliche deutsche Gastgeschenk an Trump tatsächlich gewesen ist.

Trump demonstrierte auf überragende Weise, dass er trotz seines fortgeschrittenen Alters auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft steht: klug, schlagfertig und humorvoll – man konnte den Eindruck gewinnen, es reizte ihn sogar, hier und da einen etwas abwegigen Spaß zu machen. Nicht um den Gast aus Berlin aus der Reserve zu locken, sondern einfach, um ihn zu unterhalten:

Friedrich Merz erwähnt den Jahrestag des D-Day und bedankt sich für die Befreiung. Möglicherweise war Trump das zu devot, jedenfalls erinnert er Merz scherzend daran, dass er als Deutscher bzw. Deutschland den Krieg damals verloren habe.

Trump wäre allerdings nicht Trump, wenn er nicht mindestens einmal demonstrierte, dass ihn seine Versprechungen von gestern nur dann interessieren, wenn er sie auch einhalten konnte. Von einem Kriegsende in 24 Stunden war er rasch abgerückt, dann waren es drei Monate, jetzt erklärte Trump, Putin und Selenskyj seien wie kleine Jungs, die sich furchtbar prügeln – manchmal müsse man solche Raufbolde einfach weiter raufen lassen, bis es von alleine vorbei sei.

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Demgegenüber erwähnt Trump mehrfach die grauenvolle Zahl an Todesopfern. Der grotesk anmutende Kontrast beider Aussagen stört Trump offenbar nicht, oder er hat ihn sogar bewusst provoziert.

Der Bundeskanzler als reine Dekoration, der Onkel aus Deutschland darf dabei sein: eine große Ehre. Damit hatten die Strategen im Team Merz sicher nicht gerechnet. Wer Trump zuvor irgendwelche berechenbaren Verhaltensweisen unterstellt hatte, wurde eines Besseren belehrt, dieses Spiel im Oval Office hat eine neue Variante dazugewonnen:

Der Gast als freundlich geduldeter Statist. Übrigens eine Rolle, die Merz dankbar annahm. Teilweise war zu befürchten, dass Merz beinahe wegdämmerte. Denn der vorher mutmaßlich aufgebaute Druck und das Adrenalin entluden sich wohl nach innen in Form einer bleiernen Müdigkeit, wenn es kein Jetlag war.

Gefühlt neunzig Prozent der Oval-Office-Session drehte sich um US-Themen und die Trump-Begegnungen der letzten Tage: Über den Klee gelobt von Trump wurden der chinesische und der indische Staatschef. Merz wurde dezent klargemacht, wer wichtig ist und wer nur ein bisschen wichtig.

Zu den US-internen Themen gehörte etwa ein Unterschriften-Automat, den die Hintermänner von Biden genutzt haben sollen. Auch hier deutet Trump wieder kommende Enthüllungen an. Werden sie versanden wie die Epstein-Files?

Dieser offene Talk im Oval Office mit Gast, US-Vize und Medien ist ein großartiges Format. Merz erlebte einen Trump in Bestform. Und er wird noch eine Weile brauchen, um zu begreifen, was ihm da widerfahren ist. Möglicherweise hat Merz hier die größte Klatsche von allen bekommen. Mit Selenskyj und dem südafrikanischen Präsidenten stieg Trump in den Ring, Merz bekam hilfreich ein Lätzchen umgelegt. Merz lächelte viel. Er ist seit heute ein Überlebender.

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