Ukrainischer Botschafter: „Um Russland zu besiegen, brauchen wir modernste deutsche Waffen.“

Für Andrij Melnyk hat der Dritte Weltkrieg schon begonnen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Ukrainischer Botschafter: „Um Russland zu besiegen, brauchen wir modernste deutsche Waffen.“© Quelle: © Quelle: Screenshot / YouTube, tagesschau und DER STANDARD, Bildmontage: Alexander Wallasch

Der ukrainische Botschafter dreht verbal frei. Sicher, man muss dabei berücksichtigen, dass sein Land gerade von Russland überfallen wurde. Aber Andrij Melnyk ist nicht irgendein Ukrainer, der in Deutschland verzweifelt laut über die Situation in seinem Heimatland nachdenkt. Melnyk ist erster Repräsentant der Ukraine in Deutschland. Er vertritt seinen Staat gegenüber dem Gastland. Seine Aufgabe ist die Pflege der Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Von alldem hat sich der Botschafter längst verabschiedet. Wer alleine einmal Melnyks Twitter-Account durchschaut, mag seinen Augen nicht trauen: Da reiht sich eine verbale Entgleisung an die nächste. Übergriffigkeiten gegen Repräsentanten der Bundesregierung gleich in Serie.

Dabei steht diese deutsche Regierung doch fest an der Seite der Ukraine.  Man stelle sich vor, Deutschland nehme tatsächlich eine kritische Haltung ein gegenüber Waffenlieferungen und hätte sich entschieden, eine Neutralität der Ukraine insgesamt und eine Autonomie für die Separatistengebiete zu unterstützen.

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Jetzt lud der Botschafter zwei Journalisten der Bildzeitung zum Interview in sein Büro ein. Das Springerblatt vertritt seit Kriegsbeginn jene US-ukrainische Haltung, die keine Verhandlungen anstrebt, sondern einen Sieg über die russischen Truppen und langfristig einen Volksaufstand in Russland mit dem Ziel, Putin zu stürzen.

Die Schlagzeile der Bild könnte kaum dramatischer sein. Ein Zitat von Melnyk: „Der dritte Weltkrieg hat bereits begonnen.“ Ebenso dramatisch die Inszenierung des Fotos: Der Botschafter wird vor einem Berliner Weltkriegsbunker abgelichtet. Ein weiteres Foto zeigt das Innere der Botschaft, Melnyks Büro, weiche tiefe Ledergarnitur und ein moderner Freischwinger auf schwerem Orientteppich, im Hintergrund der von Akten übervolle Botschafterschreibtisch.

Andrij Melnyk erzählt zunächst davon, wie der Krieg sein Leben beeinflusst: „Selbst bei schönem Wetter spazieren zu gehen und den Frühling zu genießen, fühlt sich unangemessen an.“

Der Botschafter erzählt weiter, er hätte schlaflose Nächte, weil seine Gedanken „um die schrecklichen Kriegsverbrechen kreisen, die die Russen in meiner Heimat verüben.“

Man darf wohl davon ausgehen, dass sich Melnyks Gedanken auch dann nicht aufhellen würden, wenn es ein Krieg ohne Kriegsverbrechen wäre. Es sollte doch im 21. Jahrhundert ein Einvernehmen zivilisierter Gesellschaften darüber geben, dass ein Krieg (oder Angriffskrieg?)  immer ein Verbrechen ist.

Auf die Frage der Reporter, was der Botschafter Deutschen antwortet, die in deutschen Waffenlieferungen die Gefahr eines dritten Weltkrieges erkennen wollen, antwortet Melnyk:

„Der dritte Weltkrieg hat bereits begonnen. Putins Angriff auf die Ukraine betrifft alle, auch die Deutschen, wenn auch noch nicht militärisch. Allen muss klar sein: Putin will eine neue imperialistische Weltordnung mit einer verkleinerten Nato, der auch Polen, Tschechien oder Slowenien nicht mehr angehören. Putin führt diesen Vernichtungskrieg gegen den kompletten Westen, gegen unser Wertesystem.“

Hier darf man nüchtern attestieren, dass der Blick auf die Wertesysteme Russlands und der Ukraine von Deutschland bzw. Europa aus betrachtet, bisher nicht unbedingt dadurch gekennzeichnet waren, dass hier zwei Wertesysteme aufeinanderprallen. Ist es ein Bekenntnis der Ukraine zur Demokratie, welches gemeint ist oder eine kulturelle Amerikanisierung? In wie fern unterscheidet sich dieser Prozess in der Ukraine von jenem in Moskau und St. Petersburg?

Deutsche jedenfalls, die jetzt Ukrainer aufgenommen haben, erleben Flüchtlinge, die osteuropäisch und auch sowjetisch geprägt sind.

Andrij Melnyk setzt alles daran, das Schicksal der Ukraine mit dem Deutschlands zu verbinden. „Das Schlimmste“, so Melnyk, „was Deutschland passieren könnte“, wäre „ein Sieg Russlands in der Ukraine.“

Und um das zu unterstützen sagt der Botschafter der Bildzeitung:

„Die Angst, durch Waffenlieferungen zur Kriegspartei zu werden, ist völliger Quatsch. Für Putin ist Deutschland längst Kriegspartei. Wer eine Ausweitung seines Kriegs verhindern möchte, muss uns jetzt helfen, Putin in die Schranken zu weisen.“

Es klingt fast zynisch, aber aus Sicht der Ukraine als Kriegspartei wäre diese Ausweitung von Vorteil, weil so schneller Hilfen und Bundesgenossen gefunden sind. Aber gehen Putins Pläne tatsächlich so weit:  Heute die Ukraine und morgen die ganze Welt bzw. Europa bis zur Elbe?

Melnyk bleibt unverschämt. Bis heute sei kein Mitglied der Bundesregierung in Kiew gewesen Das zeige die „Trägheit der deutschen Politik“, ätzt Melnyk gegen den Gastgeber und verschweigt dabei, dass es die Ukraine war, die den höchsten Repräsentanten ausgerechnet jenes Landes ausgeladen hatte, welches jetzt bereit ist, hunderttausenden Frauen und Kinder aus der Ukraine Schutz zu gewähren.

Melnyk kommentiert das so:

„Das zeigt die Trägheit der deutschen Politik. Olaf Scholz macht es wohl wie Angela Merkel: Erst mal abwarten, zuschauen und irgendwann später entscheiden oder auch nicht. Was fehlt, sind Fantasie und Mut. Viele Deutsche würden sich einen tatkräftigen Kanzler wünschen. Die Politik der ruhigen Hand ist Geschichte.“

Der ukrainische Botschafter meint also zu wissen, welchen Bundeskanzler sich die Deutschen wünschen? Und das kein Jahr nach der Wahl von Olaf Scholz? An Arroganz ist das kaum zu überbieten. Denn natürlich weiß jeder beim Mitlesen, dass es hier einzig um eine Spitze gegen die besonnene Haltung von Olaf Scholz in Sachen Waffenlieferungen geht.

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Andrij Melnyk wird auch auf die jetzt beschlossenen Lieferungen von Panzern angesprochen, die für ihn aber nur der Beginn einer großen Aufrüstung seines Landes durch die Deutschen sein kann: „Um Russland zu besiegen, brauchen wir modernste deutsche Waffen.“

Die Fragen der Bildzeitung klingen fast schon bizarr, wenn das Blatt devot Folgendes fragt:

„Würden Sie aufhören, Olaf Scholz einen Feigling zu nennen, wenn er auch die Ausfuhr von modernen Leopard-Panzern genehmigt?“

Aber auch die Antwort ist denkwürdig. Melnyk entschuldigt sich nicht, er bezieht gleich alle deutschen Politiker mit ein in sein Abendgebet:

„Das war ja nicht persönlich gemeint, sondern galt der gesamten deutschen Politklasse.“

An Frechheit ist das kaum mehr zu überbieten. Die Bundesregierung sei, so der Botschafter, sehr gut darin, Ausreden zu finden und absurde Begründungen für ihre Tatenlosigkeit zu liefern.

Jetzt mag man kaum widersprechen, wenn jemand feststellt, deutsche Politiker wären feige und tatenlos. Hier fielen einem sicher noch viel weniger schmeichelhafte Attribute ein. Aber wenn sich ein Botschafter eines anderen Staates äußert, dann löst das doch automatisch einen Solidarisierungseffekt aus, so man sich noch nicht „Deutschland Du mieses Stück Scheiße“ oder „Deutschland verrecke!“ auf seine Fahnen geschrieben hat.

Aber Andrij Melnyk will immer noch mehr. Er will „die zügige Ausfuhr von 88 Leopard-Panzern, 100 Marder-Panzern, Panzerhaubitzen und vielem mehr.“ Aber auch das reicht ihm nicht. Der ukrainische Botschafter sagt gegenüber der größten deutschen Zeitung, er wünsche ein „Umdenken in den. Köpfen“ der deutschen Politiker.

Ist das schon größenwahnsinnig? Sicher, wenn die USA solche Forderungen aufstellte, da würde man zumindest aufhorchen. Oder ist Melnyk etwa so unverschämt, weil er meint, die USA im Rücken zu haben?

Dann ist die Katze aus dem Sack:

„Wichtig wäre ein deutsches Lend-Lease-Gesetz wie in den USA und eine langfristige Allianz gegen Russland. (Mit einer neuen Version des Lend-Lease-Gesetzes aus dem Zweiten Weltkrieg kann die Ukraine unproblematisch und unbürokratisch Militärhilfe aus den USA erhalten).“

Die Bildzeitung fragt Melnyk direkter: Können Sie verstehen, dass Ihre Angriffe auf viele Deutsche undankbar wirken? Melnyks Antwort: „Das lese ich in vielen Briefen und Kommentaren. Aber ich glaube nicht, dass ich überziehe. Es liegt mir fern, Menschen zu verärgern.“ Die Eigenwahrnehmung ist also mindestens bedenklich verschoben.

Eine Milliarde Euro wurde gerade für die Ukraine genehmigt. Der Botschafter des Empfängerlandes kommentiert das in großer Dankbarkeit so:

„Eine Milliarde Euro Hilfe für die Ukraine klingt viel. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass das gerade beschlossene Entlastungspaket der Bundesregierung für die Deutschen 15 Milliarden Euro beträgt.“

Die Zeitung versucht es noch einmal und fragt, warum er deutsche Politiker „verprellen“ würde. Auch hier ist Melnyks Antwort wieder an Respektlosigkeit kaum zu toppen:

„Ich agiere spontan, muss auch mal mit der Faust auf den Tisch hauen. Das provoziert oft, manchmal erkenne ich mich selbst nicht wieder im Spiegel. Natürlich kann ich gern 100 Liter Kaffee mit SPD-Chefin Saskia Esken trinken, aber das wird die Ukraine nicht retten.“

Darauf kann man Andrij Melnyk nur antworten: Nein, Sie haben hier überhaupt nicht mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Nie und in keiner Situation. Und wenn Sie sich selbst in Ihrem Furor nicht mehr im Spiegel erkennen, dann sollten Sie einmal in sich gehen und für den Moment einfach still sein.

Der Umgang des Botschafters mit Sprache ist im höchsten Maße provozierend und gerne mit Anleihen an eine düstere Zeit in Deutschland verknüpft. So hält Andrij Melnyk den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) für „einen Fremdkörper in der deutschen Gesellschaft“. Gleichzeitig verbittet es sich Melnyk, dafür kritisiert zu werden, dass er ukrainische Faschisten verehrt. Rote Linien werden vom Botschafter gleich im Bündel überschritten.

Die SPD soll sich endlich ihrer Verantwortung für ganz Europa bewusst werden, fordert Melnyk:

„Die Zeitenwende hat begonnen, aber viele Genossinnen und Genossen haben das noch nicht begriffen. Sie sehnen sich nach Bequemlichkeit, nach Abrüstung, nach Utopie.“

Zuletzt fragt die Bildzeitung den Botschafter der Ukraine: „Beten Sie für den Sieg Ihres Landes?“

Und Andrij Melnyk antwortet: „Oh ja, aber ich bete auch dafür, dass möglichst wenige Ukrainer in diesem Krieg sterben und dass die Ukraine nicht nur als Staat und Volk überlebt, sondern mit neuer Strahlkraft eine zentrale Rolle in Europa spielen wird.“

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