Gegen den Bundestagsabgeordneten a.D. Florian Jäger (AfD) wird wegen eines Videos ermittelt

Hausdurchsuchung wegen Tatverdachts der Volksverhetzung

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

Die Anschuldigungen gegen einen ehemaligen MdB der AfD könnten kaum schärfer sein. Der neue Antisemitismus-Beauftragter der bayrischen Justiz hat den Fall für die Münchner Generalstaatsanwaltschaft übernommen.© Quelle: © Screenshot: YouTube / Florian Jäger

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Florian Jäger (AfD) hat ein knapp siebenminütiges Video aufgenommen. Der 51-jährige Bayer lud dieses Video bei YouTube hoch und veröffentlichte es am 06. Dezember 2021 in den sozialen Medien. Im Film erscheint Jäger selbst, der in privatem Umfeld in die Kamera spricht. Und was er da erzählt, führte etwas mehr als einen Monat nach Veröffentlichung dazu, dass der Politiker unangemeldeten Besuch mehrerer Herren der Kriminalinspektion Fürstenfeldbruck und des Staatsschutzes bekam.

Das Video, von dem hier die Rede ist, wurde von Jäger auf YouTube folgendermaßen benannt: „Initiieren Markus Söder und andere Politiker einen "Volkszorn" gegen Ungeimpfte?“ Das Video ist bis heute von YouTube nicht gelöscht worden.

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) titelt am 12. Januar von „Ermittlungen wegen Volksverhetzung“.

Einleitend zum Artikel hinter der Bezahlschranke heißt es: „In einem Facebook-Video vergleicht der Brucker AfD-Vorsitzende Florian Jäger die Situation der Ungeimpften mit der Verfolgung der Juden im Nazi-Regime. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen Holocaust-Relativierung.“

Jägers YouTube-Erklärtext zum Video beginnt so: „Im Herbst 1938 entlud sich in der Pogromnacht ein sogenannter Volkszorn gegen Juden im Deutschen Reich.“ Der Text endet folgendermaßen: „Aktuell wird nach bekanntem Muster ein Sündenbock für das katastrophale Politikversagen der Regierenden gesucht und Söder hat ihn gefunden. Es ist der "Ungeimpfte".“

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Auf dem Titelbild des besagten Videos steht über einer historischen Fotografie aus der Reichspogromnacht in roter Fraktur-Schrift „Wann beginnt der Volkszorn?“.

Der Durchsuchungsbeschluss liegt alexander-wallasch.de vor. Eine Anfrage an die Staatsanwaltschaft München beantwortet ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft:

„In Bezug auf Ihre Anfrage von gestern kann ich Ihnen bestätigen, dass die von Ihnen angesprochene Hausdurchsuchung bei der von Ihnen genannten Person wegen des Tatverdachts der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB stattgefunden hat. Das zugrunde liegende Ermittlungsverfahren wurde am 21.12.2021 eingeleitet und wird vom Zentralen Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Justiz, der bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München angesiedelt ist, geführt.“

Ausgangspunkt des Ermittlungsverfahrens ist laut Beschluss besagtes Video von Florian Jäger.

Die SZ schrieb dazu in einem mehrspaltigen Artikel unter anderem, der Staatsschutz und weitere Beamte hätten um sechs Uhr morgens bei Jäger geklingelt mit dem Durchsuchungsbeschluss in der Hand.

Die Zeitung hat sich auch das Video angeschaut, erkennt hier den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in einem Kontext genannt mit dem Propagandaminister der NS-Diktatur und kommentiert: „Florian Jäger dürfte die Grenze überschritten haben: Oberstaatsanwalt Andreas Franck hat die Ermittlungen gegen den AfD-Politiker eingeleitet.“

Franck ist seit Oktober 2021 Antisemitismus-Beauftragter der bayrischen Justiz. Wieder die SZ schrieb zum Amtsantritt des Beauftragten:

„Der Münchner Oberstaatsanwalt Andreas Franck soll sich künftig um judenfeindliche Hetze und ähnliche Attacken kümmern. Damit ist das Thema in den Händen eines Mannes, der Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen weiß.“

In dem alexander-wallasch.de exklusiv vorliegenden Durchsuchungsbeschluss wird ein „Tatverdacht“ auf Basis „bisheriger Ermittlungen“ formuliert. Am Anfang steht der Verweis auf besagtes Video samt Klickzahlen und Teilungen bei Facebook. Jäger hat das Video bei Facebook extra hochgeladen und dort nicht den YouTube-Link geteilt. Ebenso wie bei YouTube wurde Jägers Post auch bei Facebook bis heute nicht gelöscht.

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Im Durchsuchungsbeschluss heißt es wörtlich:

„Durch diese bewusst wahrheitswidrige Gleichsetzung bagatellisierte der Beschuldigte – wenn auch möglicher Weise nicht als Hauptzweck seines Posts – insbesondere die systematische und mörderische Judenverfolgung in der Zeit des Dritten Reichs.“

Dem Beschuldigten sei darüber hinaus bewusst gewesen, „dass Einschränkungen für Personen, die das Impfangebot ablehnen bzw. abwertende Kommentare von Politikern über Impfgegner in keinem Zusammenhang mit dem in den Konzentrationslagern begangenen millionenfachen Mord stehen.“

Jägers Beitrag sei geeignet, „gegenüber einem nicht unbeträchtlichen Teil der Bevölkerung die Auffassung zu vermitteln, im Falle der fortdauernden Nichtteilnahme an einer Impfung Repressalien ausgesetzt zu sein, was wiederum zu einer aggressiven Emotionalisierung der Bevölkerung und zu einer Herabsetzung von Hemmschwellen mit unmittelbar rechtsgutgefährdenden Folgen führen könnte.“

Auf Nachfrage, warum Florian Jäger das Video nicht gleich nach der Hausdurchsuchung auf allen Kanälen gelöscht hat, antwortet der AfD-Politiker:

„Ich habe das Video nicht gelöscht, weil ich die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft für absurd und konstruiert halte. Einen Vergleich der Situation Ungeimpfter mit der Verfolgung der Juden zur Zeit des Nationalsozialismus habe ich in dem Video nicht gezogen. Das wäre auch töricht und unangemessen. Ich habe vielmehr an einem drastischen Beispiel verdeutlicht, wohin es führen kann, wenn in einer Gesellschaft Minderheiten zu Sündenböcken gestempelt werden.“

In dem Beschluss, der Jäger ausgehändigt wurde, heißt es auch, dieser hätte dazu aufgerufen, Widerstand zu leisten und sich die staatlichen Maßnahmen nicht gefallen zu lassen. Er hätte damit billigend in Kauf genommen, „dass sein Post von einem ohnehin zunehmend emotionalisierten und aufgeheizten Teil der Bevölkerung in diesem Sinne verstanden werden würde.“

Sein Post sei „konkret geeignet, das politische Klima zu vergiften, weil er Würde und Ansehen insbesondere der überlebenden Juden sowie der Ermordeten und Ihrer Angehörigen in einem für das gesamte Gemeinwesen unerträglichen Maße tangiert.“

Florian Jäger wird beschuldigt,

„eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuchs bezeichneten Art und Weise, die geeignet ist, dem öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung verharmlost zu haben. strafbar als Volksverhetzung gemäß §130 Abs. 3 StGB.“

Der Durchsuchungsbeschluss erwähnt abschließend, dass die Durchsuchung selbst „in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts“ steht und für die Ermittlungen notwendig sei.

Nach der Hausdurchsuchung wird dem AfD-Politiker ein „Sicherstellungsprotokoll“ ausgehändigt, das die beschlagnahmten Gegenstände aufführt: Zwei Kameras der Marke Lumix, ein Apple Mobiltelefon, ein Apple Laptop, ein Apple Tablet und ein weiterer Apple Laptop. Als Fundort dieser Gegenstände wird ein Büro im ersten Stock genannt. Zur Notiz über den zweiten „Apple Laptop“ wurde zusätzlich handschriftlich vermerkt „“Laut Frau Jäger defekt und von der Tochter.“

Bei „Unterschrift Betroffene(r) wurde handschriftlich notiert: „verweigert“.

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