Der Spiegel stellt gleich im ersten Satz seines Intros zum Bericht die gewünschte Verbindung her:
„Götz Kubitschek ist ein Vertrauter des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke.“
2019 zur 20. IfS-Sommerakademie des „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda war auch Alice Weidel zu Gast. Die AfD-Fraktionsvorsitzende war dort sogar Vortragende. Der Schlag des Landesverfassungsschutzes trifft Weidel also mindestens ebenso, wie Höcke und andere.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland fragte damals schon in der Überschrift: „Was will AfD-Frau Weidel beim Vordenker der Neuen Rechten?“ Und berichtete davon, das Weidel bei Kubitschek über „Politik in Berlin“ referiert hätte.
Alice Weidel ist dazu telefonisch nicht erreichbar, eine Telefonnummer zum Büro der Abgeordneten ist nicht öffentlich, die Fraktionsstelle selbst kann nicht durchstellen.
Die Zeit schrieb 2019 über den Auftritt von Weidel in Schnellroda: „(Sie) kam in einer Limousine vom Fahrdienst des Bundestages und betrat den Gasthof über einen Hintereingang.“ In einem Video sagt Weidel über ihren Gastauftritt: „Ich fand es unwahrscheinlich wichtig und schön, hier zu sein.“
Dr. Alice Weidel (AfD) auf der 20. Sommerakademie des IfS
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Weidel sagte damals gleich zu Beginn ihres Vortrags: „Es ist sehr wichtig (…) dass wir unseren Nachwuchs fördern. Und der Nachwuchs sitzt eben hier. Und ich bedanke mit bei Euch für eurer Kommen.“
Ihren knapp einstündigen Vortrag beendet Weidel so:
„Deutschland braucht eine neue Aufklärung. (…) Es ist eine unausrottbare linke Leidenschaft, Andersdenkende aus dem Diskurs und aus der Gesellschaft auszugrenzen oder wie zahlreiche linke Diktatoren lehren, im Extremfall sogar physisch zu eliminieren. Die Feinde der Aufklärung und der offenen Gesellschaft stehen heute links. (…) Die damaligen Faschisten sind die heutigen Antifaschisten.“
Es ginge darum, schließt Alice Weidel ab, sich nicht in die Radikalisierungsfalle locken zu lassen, „aus der heraus wir die wahlentscheidende Mitte der Gesellschaft nicht mehr erreichen können.“
Wie ist das heute einzuordnen und vor allem: Was hat sich seit 2019 getan, dass der sachsen-anhaltinische Landesverfassungsschutz nun quasi zum äußersten Mittel greift? Die Mitteldeutsche Zeitung berichtete vorab aus dem Verfassungsschutzbericht des Landes für 2020.
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Und die Welt hat mindestens eine Antwort, was diese Einstufung vom Verdachts- zum Beobachtungsfall bedeutet: „Die Organisation darf jetzt mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht werden.“ Das in Schnellroda im Saalekreis ansässige Institut sei „ein führender Akteur“ der sogenannten Neuen Rechten und geprägt von „rassistischen und biologistischen Sichtweisen“.
Seit gestern liegt der Bericht aus Sachsen-Anhalt zum Nachlesen vor. Herausgeber ist das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt.
Dem „Rechtsextremismus“ sind knapp einhundert Seiten gewidmet, dem im Bericht sich anschließenden „Linksextremismus“ etwa die Hälfte. Nach der Identitären Bewegung folgt von Seite 66-71 der Bericht über Kubitscheks „Verein für Staatspolitik e. V.“ firmiert unter „Institut für Staatspolitik“ (IfS).
Als Anhänger werden im Landesverfassungsschutzbericht „etwa zehn Personen“ genannt. Als Publikation wird „Sezession“ in Print wie Online aufgeführt. Über die Printausgabe heißt es: „Sie erscheint aktuell sechsmal im Jahr. Ihr Autorenstamm reicht von (Pseudo-)Intellektuellen außerhalb bis innerhalb des Rechtsextremismus.“
Hier der Kernvorwurf als ganzer Absatz:
„In unmittelbarem Zusammenhang mit den „ethnopluralistischen“ Ansichten stehen die Ausländer- und Islamfeindlichkeit des IfS. Das IfS diskriminiert ausgewählte Personengruppen, wenn es diesen pauschal negativen Eigenschaften zuschreibt. Im Zuge dessen werden diesen Menschen die persönliche Identität und Individualität im Sinne des Art. 2 GG sowie die Gleichheitsrechte nach Art. 3 GG abgesprochen. Ebenso liegt damit ein Verstoß gegen das Prinzip der Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG vor. Das IfS richtet sich damit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.“
Kaum noch zu kommentieren ist die literarische Qualität der Geheimdienstautoren: „Das IfS ist primär publizierend tätig. Entsprechend bleibt die Anzahl realweltlicher Aktivitäten (…) überschaubar.“
Weiter heißt es im Bericht: „Am 6. Oktober 2020 fand in Hoppegarten (Brandenburg) eine Veranstaltung des IfS unter dem Titel „125 Jahre Ernst Jünger“ statt.“
Aber soll Ernst Jünger nun als Beleg für Verfassungsfeindlichkeit gelten? Der allerdings bekam zu Lebzeiten Geburtstagsbesuch des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl – und Kohl nahm den französischen Präsidenten mit: „Einige Male besuchten wir gemeinsam den hochbetagten Schriftsteller Ernst Jünger.“
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Eine Kontaktschuld darf auch nicht fehlen, jedenfalls bleibt es dem Leser überlassen, herauszufinden, was es mit einem nicht näher genannten Gast eines Vortrags über Ernst Jünger auf sich hat, der vom VS als „ein ehemaliges Mitglied der „Kontrakultur Halle“ (IBD)“ eingeführt wird.
Wer bis hier her dachte, es kämen nun auf den letzten Seiten des VS-Berichtes noch tragbare Beobachtungen, die als gesicherte Einstufung als extremistisch vom Leser verstanden werden könnten wird wiederum enttäuscht – tatsächlich liest sich das kurze Kapitel des VS wie geschrieben von einer x-beliebigen linkspopulistischen Publikation: Das IfS würde für sich eine „Opferrolle“ reklamieren.
Das allerdings bereits so ein offiziell verkündeter Verdachtsfall – darum geht es in dem Absatz – zu einer massiven gesellschaftlichen Ächtung führt samt finanziellen Einbußen und Löschungen der Accounts in den sozialen Medien sollte aber als Beleg für eine Opferrolle hinreichend sein.
Oder so: Dieser Beleg ist gesicherter als alles, was der VS hier vorlegt. Wenn er mehr hat, soll er für die Begründung der Einstufung als rechtsextremistisch dem geneigten Leser auch etwas Substanzielles vorlegen.
Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? Auf den paar Seiten des Berichtes über Kubitscheks Institut ist immer wieder von der „Neuen Rechten“ die Rede, als wäre das bereits für eine Zuordnung als extremistisch ausreichend ohne das man das mit Inhalten füllen müsste.
Das Institut wird als sicher rechtsextremistisch eingestuft und so wird es begründet: „Die „Akademien“ werden in der „neurechten“ Szene weiterhin einen Kultstatus einnehmen. Inwiefern die dort vermittelten Inhalte das „neue“ Publikum als digital sozialisierte Community noch interessieren wird, muss sich erst noch erweisen.“
Irgendein imaginärer „Kultstatus“ also als Extremismusbeweis.
Und dann war es das schon. Mehr steht da nicht. Es folgt nichts weiter. Nichts und kein Satz, kein Hinweis, kein Beleg, der es irgendwie schlüssig machen würde, warum hier nun aus dem Verdacht und der Beobachtung eine sichere Erkenntnis erwachsen sei.
So ein Text kann ja beim Leser nur die gewünschte Wirkung erzielen im Kontext mit diversen Veröffentlichungen der Alt-Medien und des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.
Der Verfassungsschutz hat sich mit dieser unzureichenden Erklärung keinen Gefallen getan. Da braucht es keine behauptete „Opferrolle“, es ist aber wahrscheinlich, dass der eine oder andere zukünftig das Institut und Kubitschek als Opfer begreifen nach Lektüre dieses Berichtes.
Hier könnte demnach der Verfassungsschutz selbst Antreiber des Extremismus sein. Und er macht daraus nicht einmal ein Geheimnis:
Kubitschek wird im Bericht eine Radikalisierung vorgeworfen, weil er den Beobachtungsfall nicht sportlicher genommen habe: „In einem Online-Artikel äußerte sich Götz Kubitschek zu den Folgen der Einstufung des IfS zu einem Beobachtungsobjekt.“, schreibt der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt.
Der Bundesverfassungsschutzbericht hatte Kubitschek noch nicht erwähnt. Sachsen-Anhalt reicht jetzt also nach, was Thomas Haldenwangs Autoren noch nicht publiziert hatten und was der Präsident des Bundesverfassungsschutzes auf der Pressekonferenz zu seinem Bericht Mitte des Jahres schon angesprochen hatte, als er Kubitschek mündlich erwähnte ohne, dass der überhaupt schon im Bericht gestanden hätte. Der Kreis schließt sich also, man ist sich einig auch jenseits von veröffentlichen Belegen.
Was sagt Kubitschek selbst? Er verweist auf einen Text auf seiner Webseite Sezession, wo ein Interview mit Erik Lehnert – er ist neben Kubitschek Leiter des Institutes – veröffentlicht wurde. Lehnert sagt dort zur Einstufung als rechtsextrem – also zur Neusortierung nach einem Jahr vom Verdachts- zum Beobachtungsfall als extremistische Organisation:
„Ich kann nicht finden, dass sich unsere Arbeit in den letzten Jahren so verändert hat, dass diese Verschärfung gerechtfertigt wäre. Es drängt sich ja förmlich der Verdacht auf, dass man das Jahr zwischen Verdachtsfall und Beobachtungsfall nur aus formalen Gründen verstreichen ließ, die Einstufung aber längst beschlossene Sache war. Die Landesämter müssen offensichtlich Munition für das Großvorhaben „Beobachtungsfall AfD“ liefern, da die von den Konkurrenzparteien geführten Innenministerien realisiert haben, dass die AfD nicht von allein wieder verschwindet.“
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