Gab Selenskij dem Friedensangebot des Bundeskanzlers einen Korb?

Olaf Scholz: Der verschmähte Friedensstifter

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Welches Angebot machte Olaf Scholz dem ukrainischen Präsidenten am 19. Februar in München, hätte es den Krieg verhindern können und warum wurde es von Selenskij abgelehnt?© Quelle: © Quelle: Pexels / David Peinado, Pixabay / fsHH und (Joenomias) Menno de Jong, Screenshot / YouTube, JOHN, Bildmontage: Alexander Wallasch

Was ist los mit Bundeskanzler Olaf Scholz? Die Zeit fällte ein wirklich vernichtendes Urteil über die Arbeit und den Gemütszustand des Bundeskanzlers:

„Olaf Scholz hat vorläufig die Deutungsmacht über seine Ukraine-Politik verloren, er wirkt dünnhäutig und apathisch zugleich. Treibt ihn der Krieg – oder seine Partei?“

Eine interessante Frage, die sich auch der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron (AfD) gestellt hat. Aber nicht nur sich, sondern schon vor Tagen und ganz offiziell. Bystron fragte nämlich den Bundeskanzler in einer schriftlichen Anfrage unter der Arbeitsnummer 091 Folgendes:

„Trifft die Aussage des Artikels des WSJ vom 1. April 2022 (vgl. https://www.wsj.com/amp/articles/vladimir-putins-20-year-march-to-war-in-ukraineand-how-the-west-mishandled-it-11648826461) zu, wonach Bundeskanzler Scholz dem ukrainischen Präsidenten Selenskij am 19. Februar 2022 in München vorgeschlagen hat, dass die Ukraine ihre Neutralität erklärt sowie ein Europäisches Sicherheitsabkommen zwischen dem Westen und Russland abgeschlossen wird und Russland und die USA als Garantiemächte die ukrainische Sicherheit garantieren, wogegen Selenskij sich gegen diese Vorschläge ausgesprochen hat?“

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Bevor wir zum in der Frage erwähnten Artikel des Wallstreet Journal kommen, hier die zunächst wenig ergiebige Antwort der Staatsministerin Ryglewski beim Bundeskanzler:

„Bezüglich des Gesprächs von Bundeskanzler Scholz mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij am 19. Februar 2022 wird auf die Vertraulichkeit von Gesprächen des Bundeskanzlers mit Vertretern ausländischer Regierungen verwiesen.“

Aber warum kann oder will sich der Bundeskanzler auf diese bezüglich der Antwort womöglich weitreichende Frage nicht konkret äußern? Auf Rückfrage erklärt der Fragesteller Peter Bystron gegenüber alexander-wallasch.de:

„Der Vorschlag von Kanzler Scholz bestätigt, dass es möglich war, den Krieg zu verhindern. Die Ablehnung durch Zelensky war nur der letzte von vielen konfrontativen Schritten - angefangen mit der Aufnahme der NATO-Mitgliedschaft als Staatsziel in die ukrainische Verfassung über Verbote von russischsprachigen TV-Sendern und Verhaftungen von Oppositionspolitikern. Die Regierung Biden suchte die Konfrontation mit Russland - die Ukraine ist lediglich Instrument in diesem geopolitischen Kräftemessen der Großmächte.“

Aber was hatte das Wallstreet Journal dazu konkret herausgefunden?

Die Zeitung berichtet zunächst über den Besuch des Bundeskanzlers in Moskau, die Bilder des langen Tisches zwischen den Gesprächspartnern jeweils an den Kopfenden gingen um die Welt. Scholz sei dann, so das Journal, „besorgter nach Berlin zurück, als er es verlassen hatte.“ („The German chancellor returned to Berlin far more worried than he had left it.“)

Das war am 15. Februar 2022. Schon vier Tage später sprach der ukrainische Präsident auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Und hier soll Scholz, so schreibt es das Journal, „einen letzten Vorstoß für eine Einigung zwischen Moskau und Kiew“ unternommen haben.

Konkret hätte der deutsche Bundeskanzler Selenzkij einen Plan zur Abwendung eines drohenden Krieges unterbreitet, den dieser aber ablehnte.

Wie sah dieser Plan aus? Die Ukraine sollte ihre NATO-Bestrebungen aufgeben und als Teil eines umfassenderen europäischen Sicherheitsabkommens zwischen dem Westen und Russland seine Neutralität erklären. Der Pakt sollte von Putin und Biden unterzeichnet und so gemeinsam die Sicherheit der Ukraine garantiert werden.

(„Mr. Scholz made one last push for a settlement between Moscow and Kyiv. He told Mr. Zelensky in Munich on Feb. 19 that Ukraine should renounce its NATO aspirations and declare neutrality as part of a wider European security deal between the West and Russia. The pact would be signed by Mr. Putin and Mr. Biden, who would jointly guarantee Ukraine’s security.“)

Das Wallstreet Journal will auch wissen, was Selenskij geantwortet hat:

„Herr Selenskyj sagte, man könne Herrn Putin nicht trauen, ein solches Abkommen aufrechtzuerhalten, und die meisten Ukrainer wollten der NATO beitreten. Seine Antwort sorgte auf deutscher Seite für Besorgnis. Man fürchtete, dass mit dieser Absage die Chancen auf Frieden schwinden würden.“

(„Mr. Zelensky said Mr. Putin couldn’t be trusted to uphold such an agreement and that most Ukrainians wanted to join NATO. His answer left German officials worried that the chances of peace were fading.“)

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Aber wie ist das alles einzuordnen? Dafür muss man sich noch einmal die eingangs erwähnte Frage der Zeit zurückholen:

„Olaf Scholz hat vorläufig die Deutungsmacht über seine Ukraine-Politik verloren, er wirkt dünnhäutig und apathisch zugleich. Treibt ihn der Krieg – oder seine Partei?“

Tatsächlich könnte man darauf im Lichte der neuen Erkenntnisse neue Antworten finden. Wie wäre es mit dieser hier?

Bundeskanzler Olaf Scholz weiß um die verpasste Chance, diesen Krieg zu verhindern. Das mag auch eine Rolle dabei gespielt haben, warum er so zögerlich bei der Frage der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ist.

Die Vorgeschichte nach Lesart des Wallstreet Journals könnte auch die für viele irritierend reservierte Haltung von Scholz erklären, als dieser nach der auf Leinwand in den Bundestag übertragenen Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskij gleich wieder zur Tagesordnung überging, ohne direkt zu reagieren.

Wenn also zutrifft, was das Journal über das Gespräch zwischen Scholz und Selenskij zu berichtet weiß - die Antwort des Bundeskanzlers auf die Anfrage von Bystron bestreitet das Gespräch nicht explizit - dann könnte das die gleichförmige Berichterstattung über diesen schrecklichen Krieg durchaus in Verlegenheit bringen.

Oder nein: Nicht Verlegenheit über den Krieg und die Einordnung Putins als Aggressor, wohl aber über die Entstehungsgeschichte und die verpassten Chancen, diesen Krieg doch noch zu verhindern. Die Beteiligten sind hier wohl alles andere als mit dem Schlafwagen in den Schützengraben eingefahren.

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