Innere Spannungen zu Putin und Reisen nach Sotschi: Chrupallas Haltung polarisiert – und könnte die AfD als breite Kraft etablieren

Panik der Etablierten: Macht Chrupallas Russland-Linie die AfD endgültig zur Volkspartei?

von Alexander Wallasch

Alice Weidel und ihr Hans Albers des Ostens: Passt da ein Blatt Papier dazwischen?© Quelle: Youtube/AfD-Fraktion

„Mir hat Putin nichts getan“ – Tino Chrupallas Worte hallen nach, während Alice Weidel sich kritisch distanziert. Die Altparteien toben, Medien wettern gegen „Russland-Trolle“. Doch genau diese Debatte zeigt: Die AfD toleriert Meinungsvielfalt, wo CDU und SPD längst Einheitspartei sind.

AfD-Parteichefin Alice Weidel hat gerade einen Ball auf dem Elfmeterpunkt liegen und das Tor ist leer, sie muss halt noch einlochen. Es geht natürlich um ihren Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla, der mit seiner klaren Haltung zum Ukrainekrieg zur Zielscheibe von Angriffen gegen ihn und die AfD von außen geworden ist.

Der Ball liegt zum Einlochen bereit, weil beide Haltungen – die von Weidel und Chrupalla – eine Entwicklung markieren, welche beim einfachen Mann auf der Straße längst angekommen ist: die AfD als nicht nur prozentual, sondern jetzt auch inhaltlich größte deutsche Volkspartei.

Was früher Volksparteien ausgemacht hat, aber bei Union und SPD schon vor vielen Jahrenniederkartätscht wurde, hat bei der AfD eine neue Heimat gefunden: Ein selbstverständlicherWettstreit der Ideen. Das ist umso bemerkenswerter, weil die AfD Opposition ist, da müssen Angriffe gegen den politischen Gegner noch präziser sitzen.

Die CDU hat in der Hinsicht ihre letzte große innere Auseinandersetzung erlebt, als Friedrich Merz das zarte Pflänzchen „Werteunion“ meuchelte und dabei noch den Eindruck eines persönlich Beleidigten machte.

Früher allerdings waren solche innerparteilichen Strömungen ein guter Nährboden für den Bestand einer Volkspartei. Einfach, weil damit in diesem großen Reservoir der Ideen immer eine Alternative schlummerte, die im Zweifel die Meinungsführerschaft innerhalb einer Partei zu einem bestimmten Zeitpunkt übernehmen konnte, wenn es die schnelllebigen Umstände erforderlich machten.

Allerdings stand hier immer der Vorwurf der Beliebigkeit im Raum, welcher den Markenkern einer Partei in Gefahr bringen konnte. Hier haben sich große Volksparteien die Möglichkeit offengelassen, ihr Grundsatzprogramm zu erneuern. Für die SPD war das 1959 in Bad Godesberg der Fall und noch einmal 1989 mit dem Berliner Programm. Hier wurden Grundsatzfragen neu justiert.

Die Aufregung der Alt-Medien und Alt-Parteien über die Haltung Tino Chrupallas zum Ukrainekrieg und zu Putin bezeugt eindrucksvoll, dass die Etablierten erkannt haben, welche Gefahr von dieser neuen selbstbewussten Binnenpluralität innerhalb der AfD ausgehen kann: Hier kann sich die Partei ein weiteres Mal ein von den Kartellparteien fahrlässig aufgegebenes Merkmal einer Volkspartei sichern.

Die Panik ist verständlich, Union, SPD und Grüne toben, ihre zuarbeitenden Medien stimmen in den Chor ein.

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Alice Weidel steht jetzt am Scheideweg. Es kann der große Moment der AfD werden, ein Coming-Out eines politischen Selbstbewusstseins als pluralistische Volkspartei, die bewusst verschiedene gesellschaftliche Gruppen, Interessen und Ideen in sich vereint und breit aufgestellt auftritt.

Das Ziel ist einfach formuliert: Die innerparteiliche Vielfalt hat das Potenzial, breite Wählerschichten abzudecken. Wer jetzt glaubt oder hofft, das Führungsduo der AfD, Alice Weidel und Tino Chrupalla, stünden an einem Scheideweg, der gehört zu jenen, die das Glas halb leer sehen und dabei übersehen, dass es gleichsam halb voll ist.

Tino Chrupalla hat vorgelegt. Seine Position ist klar. Und es ist die Position weiter Teile der Menschen in den neuen Bundesländer, aber auch bestimmter Regionen im Westen, die früher traditionell dem Arbeitermilieu zugeordnet wurden, von der SPD aufgegeben wurden und seitdem etwas verloren im leeren Raum stehen. In diesem Kreisen ist tief in die DNA eingeschrieben, dass Kriege meistens den Nachwuchs der Straße fressen und selten die Kinder aus den Palästen.

Aber übertrieben pathetisch muss man es nicht formulieren. Dafür ist Tino Chrupalla nicht der Typ. Der in Weißwasser in der Oberlausitz Geborene wird immer als der fleißige Handwerker beschrieben, was nach Gutmütigkeit und tendenziell beinahe einfältig klingt.

Aber spätestens seit den innerparteilichen Differenzen im Blick nach Moskau ist klar geworden, dass Tino Chrupalla tatsächlich das Potenzial zu einem Hans Albers des Ostens hat. Chrupalla wird von Teilen der Ostbevölkerung als Sprachrohr gesehen – ähnlich wie Albers als Stimme der „kleinen Leute“: ein raubeiniger, charismatischer Typ, der ‚unsere Sprache‘ spricht und gegen die Obrigkeit ankämpft – nur diesmal mit AfD-Logo statt Seemannsmütze.

Alice Weidel hat den Ball auf dem Punkt. Entweder sie schaut nach Osten und erkennt dieChance für die AfD, sich über diese neue Binnenpluralität mit einem großen Schritt weiter in Richtung Volkspartei zu entwickeln. Oder sie gerät in Panik über die Empörung des Mainstreams und stellt eine Grundsatzfrage.

Chrupalla wird bei seiner Haltung bleiben, die sich bei Lichte betrachtet im Übrigen wie eine Selbstverständlichkeit anhört. Der „Spiegel“ hat zusammengefasst:

„Nach Putin gefragt, erklärt der AfD-Chef: »Mir hat er ja nichts getan.« Und weiter: „Ich sehe keine Gefahr für Deutschland aktuell durch Russland.“ An anderer Stelle verteidigte Chrupalla die Expedition seiner Parteifreunde nach Russland. „Die Kollegen, die dort hinfahren, haben ihre Reise angemeldet. Sie wurde genehmigt.“

Auch für die Co-Vorsitzende Alice Weidel ist es also keine große Sache, sich mit dieser Haltung innerhalb der AfD zu arrangieren. Ist die in den Umfragen stärkste Partei eine echte Volkspartei? Nie standen die Chancen dafür so gut wie ausgerechnet jetzt mit der Haltung von Chrupalla zum Ukrainekrieg und zu Putin.

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