AfD versus Tilo Jung: Rumble in the Jungle in Bundes­presse­konferenz

Showdown nach Wahl in Sachsen-Anhalt

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Showdown auf der Bundespressekonferenz am Tag nach der Wahl in Sachsen-Anhalt: Die AfD ist zu Gast und stellt sich den Fragen der akkreditierten Journalisten.© Quelle: © Screenshot: Phoenix

Showdown auf der Bundes­presse­konferenz am Tag nach der Wahl in Sachsen-Anhalt: Die AfD ist zu Gast und stellt sich den Fragen der akkreditierten Journalisten. Der Blogger Tilo Jung stellt eine Frage und bekommt gleich drei Antworten. Aber so richtig zufrieden sah er danach trotzdem nicht aus.

Eine Sequenz der Bundespressekonferenz am 07. Juni 2021 kurz nach 13 Uhr geht viral: Die AfD ist zu Gast und soll/will sich den Fragen der akkreditierten Journalisten stellen.

Ein Fragen-und-Antwort-Spiel findet hier statt, dass über viele Jahre den Eindruck erweckte, es sei fester Teil der öffentlich-rechtlichen Medien schon deshalb, weil die taubenblaue Rückwand der Veranstaltung wie ein Wechselrahmen der Heute- und Tagesschau-Nachrichten erschien.

Dieser sittsame bürgerliche Volksjournalismus, herübergeschlendert nach Berlin aus der satten Tütenlampenwelt der Bonner Republik, wurde erstmals erschüttert, als der linkspopulistische Blogger Tilo Jung im Frühjahr 2014 begann, die ehrenwerte Veranstaltung als Bühne für seine naive Vorstellung von Journalismus zu begreifen.

Gut, die Etablierten hatten sich schnell an diese dünne Mischung aus Jan Böhmermann und Christoph Schlingensief gewöhnt und den Online-Spaßvogel als einen der ihren vereinnahmt. Hauptsache bloß, die elitäre Gemütlichkeit geht nicht verloren – dass bisschen Ruhm, was da Online wegspritzte, war man gerne bereit an den verrückten, aber artigen Jüngling abzustreifen.

Tilo Jung belohnte die Umarmung später damit, dass er in Stutenbissigkeit den Vorreiter dafür gab, den Journalisten Boris Reitschuster aus der Bundespressekonferenz zu mobben. Der nämlich hatte gleich nach seinem Erscheinen auf der Bildfläche diesem Zusammentreffen aus Politik und Medien zu einer Online-Popularität verholfen, von der Jung bis dato nur hätte träumen konnte.

Mit dem Auftritt von Reitschuster verlor Tilo Jung nicht nur sein Alleinstellungsmerkmal als prominenter Vertreter der Online-Medien, Reitschuster stellte diese Art der Frontalbefragung auf ein neues Level, es wurde auf erfrischende Art und Weise unangenehm auf dem Podest, wo sich Tilo Jung längst schon dem schönen Gefühl hingegeben hatte, zu irgendetwas irgendwie dazugehören zu dürfen.

Chance für Aufmerksamkeit für Jung blieb nur noch dort, wo Reitschuster mal nicht anwesend sein könnte. Und das war der Fall, als die AfD von der Bundespressekonferenz eingeladen wurde, sich zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zu erklären. Darüber zu sprechen beispielsweise, warum die AfD etwas mehr als zwanzig Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Eingeladen am Tag nach der Wahl waren der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla Martin Reichardt, der Vorsitzende des Landesverband Sachsen-Anhalt und Oliver Kirchner als AfD-Spitzenkandidat für Sachsen-Anhalt. Der ehemalige ZDF-Mann Mathis Feldhoff moderierte als Vorsitzender der Bundespressekonferenz (seit 2020).

Vorweggesagt: Tilo Jung unterstellte Rechtsextremismus und bekam dafür von allen drei Vertretern der AfD eine Verbaldusche, als stände der verdatterte Jung in kurzen Hosen unterhalb der Niagarafälle. Jedenfalls seiner Körpersprache nach zu urteilen.

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Hier also Fragen und Antworten auf der Bundespressekonferenz im Wortlaut:

Tilo Jung startet damit, dass er behauptet, die Corona-Pandemie sei als „schwere Grippewelle“ verharmlost worden. Und weiter als Frage an Tino Chrupalla gerichtet: „Herr Reichardt hat gerade von der Förderung von Familien geredet, da geht’s aber auch laut ihrem Wahlprogramm – und ihrem Parteiprogramm – um deutsche Eltern, die ein Begrüßungsgeld bekommen sollen, dann, wenn Neugeborene kommen, nicht ausländische Eltern – und ist dieser offen rechtsextremistische Kurs ihres Landesverband Vorbild für die Bundestagswahl?“

Tino Chrupalla: Ich kann das gerne an Herrn Kirchner weitergeben: Weil ich distanziere mich nur von Aussagen, die ich selbst tätige und für die ich selbst Verantwortung trage. Und Herr Kirchner ist Landesvorsitzender. Sie haben ihn gerade als Rechtsextremisten hier bezeichnet. Ich denke er kann da Ihnen da gerne Auskunft geben.

Oliver Kirchner: Das kann ich gerne tun. Ich meine, wenn ein offen linksextremer Journalist mich Rechtsextremer nennt, dann muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, das wäre ja so, als wenn mir Erich Mielke in der DDR die Demokratie hätte erklären wollen. Jetzt müssen sie mir mal erklären, wo ich rechtsextrem bin. Wenn mir der Verfassungsschutz vorwirft rechtsextrem zu sein, weil ich in einer Landtagsdebatte zum Ministerpräsidenten sage: „Herr Ministerpräsident, ich lasse nicht kampflos zu, dass sie die Zukunft meiner Kinder planen, das bestimme ich schon gerne selbst. Wenn das für Sie als Journalist ausreicht, dass jemand rechtsextrem ist, dann nehme ich das zur Kenntnis kann da aber wirklich nur lachen und schmunzeln darüber.

Tilo Jung: Die Frage war ja, ob sie diesen offen rechtsextremistischen Kurs – es ist alles nachzulesen, warum Herr Kirchner als rechtsextrem gilt …

Oliver Kirchner: … ja, den gibt es doch nicht den Kurs. Den sehen Sie so als linker Journalist.

Tino Chrupalla: Den Kurs gibt es nicht. Und sie wissen genau, dass das Behautungen einer Behörde sind, mit der wir im Rechtsstreit sind. Und diesen Rechtststreit warten wir gemeinsam erst einmal ab, vielen Dank.

Mathis Feldhoff: Herr Reichardt?

Martin Reichardt: Ja, dass muss man doch mal ganz deutlich sagen, sie arbeiten hier doch mit völlig aus dem Zusammenhang gerissenen und auch falschen Aussagen. Also erstens Mal steht überhaupt nichts davon drin, dass das nur deutsche Kinder seien müssen und ähnliches. Das steht nicht im Programm, das ist einfach falsch. Es steht dort: ein deutsches Elternteil...

Zwischenruf von Tilo Jung: ...Ein Elternteil muss deutsch sein.

Martin Reichardt: Das ist richtig, dazu stehen wir auch. Aber das hat doch nichts mit „nur deutschen Eltern“ zu tun. Entschuldigung, das ist einfach unwahr. Sie haben hier schon mit einer unwahren Frage das ganze eröffnet. Es geht hier gar nicht um nur deutsche Eltern. Wenn da ein Elternteil eben nicht aus Deutschland stammt, dann hat auch das Kind einen Migrationshintergrund und ähnliches.

Es ist also völlig falsch, es ist genau die Art von Journalismus, die uns überall entgegenschlägt. Mit Halbwahrheiten arbeiten Sie. Und dann bringen sie die Frage auf … Sie sagen, jemand ist Rechtsextremist, weil er Corona-Maßnahmen anzweifelt! Da stelle ich mir schon die Frage, wo da überhaupt der Zusammenhang besteht. Das ist also eine Fragestellung, die ist ja schon intellektuell für jemanden, das noch halbwegs klar durchblickt überhaupt nicht mehr nachvollziehbar. Also Sie sind offensichtlich ein ideologischer Journalist und versuchen hier unsere Partei in eine extremistische Ecke zu schieben. Und das ist genau das, was leider viel zu oft passiert.

Ich will ihnen mal ganz ehrlich sagen: Es muss mal endlich auch darüber gesprochen werden: bei uns wird alles Mögliche in die rechtsextreme Ecke gestellt. Was fragen sie eigentlich bei den Grünen, bei den K-Grüpplern, die dort Ministerpräsident geworden sind? Was fragen sie denn bei Herrn Trittin nach seiner politischen Grundgesinnung? Da sind Maoisten dabei in führenden Positionen. Die sind damals einem Mann hinterhergelaufen, der für den Tod von Millionen Menschen verantwortlich ist. Hier wäre doch mal der kritische Journalismus in Deutschland gefragt. Der findet aber nicht statt. Stattdessen präsentiert man einen Baerbock-Hype und tut so, als wären die Grünen eine bürgerliche Partei.

Mathis Feldhoff für die Bundespressekonferenz: Jetzt lassen sie mich kurz ein Wort sagen. Ich glaube, dass wir keinen Deut weiterkommen, wenn wir uns jetzt hier gegenseitig beschimpfen. Sie hier oben nicht die Kolleginnen und Kollegen im Saal bitte nicht. Und die Kolleginnen und Kollegen im Saal bitte ich, dass ebenfalls nicht zu tun, unsere Gäste zu beschimpfen.

Tilo Jung, der zwischenzeitlich die Arme schützend vor dem braunen T-Shirt oberhalb seiner kurzen Hose verschränkt hat, wird später, was da gerade so über ihn gekommen war via Twitter noch ganz verdattert so kommentieren: „Was für eine abstruse Szene“.

„Abstrus“ allerdings dürfte hier die völlig falsche Wortwahl dafür sein, was diesem Ersatzböhmermann in der kurzen Hose ohne Holzgewehr da gerade widerfahren ist.

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