Klartext: Ein Kenner des Gesundheitsministers im Interview

Steht Karl Lauterbachs Entlassung unmittelbar bevor?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

„Karl Lauterbach hat sich in seinem Zimmer verschanzt. Die Unzufriedenheit im Ministerium ist bereits sehr groß. Wir sehen nichts von ihm, er gibt nichts ab. Er setzt keine einzige der vielen notwendigen Leitplanken. Die Mitarbeiter wissen eigentlich gar nicht, was sie machen sollen.“© Quelle: © Quelle: Wikimedia Commons / Sandro Halank, Freepik.com / user16172657 und myimagine2018, Bildmontage: Alexander Wallasch

Ich hatte exklusiv Gelegenheit mit einem Stakeholder des Deutschen Gesundheitswesens zu sprechen, der Lauterbach seit langem gut kennt und zu berichten weiß, wie und auf welche Weise der Minister sein Ministerium führt und was die Mitarbeiter sagen.

Der Gesprächspartner wünscht anonym zu bleiben.

Alexander Wallasch: Hat sich Lauterbach im Amt seinen Elfenbeinturm gebaut?

Quelle: Er hat sich, so hört man, in seinem Zimmer verschanzt, alle Aufgaben an sich herangezogen und gibt offensichtlich keinerlei Richtung vor. Das ist ein echtes Problem. Karl Lauterbach hat viele gute Leute im Ministerium, deren Ressourcen er einfach nicht abruft und die relativ handlungsunfähig sind, weil wie gesagt keine Richtung vorgegeben wird. Die Unzufriedenheit ist groß. Dieser Eindruck wurde zuletzt auch sehr deutlich beim nationalen DRG-Forum, der wichtigsten Konferenz für das Krankenhausmanagement.

Alexander Wallasch: Waren die Mitarbeiter mit Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn (CDU) zufriedener?

Quelle: Die Mitarbeiter im Ministerium waren sicher nicht mit jeder Entscheidung von Spahn einverstanden, aber man hatte den Eindruck: Es war ein enges Ineinanderarbeiten, es ist ein Betrieb, der zumindest läuft.

Alexander Wallasch: Was hat sich verändert?

Quelle: Mit Karl Lauterbach ist ein anderer Eindruck entstanden. Mitarbeiter sagen, wir sehen wenig von ihm, der sitzt in seinem Zimmer, er gibt nichts ab. Er setzt nicht die notwendigen Leitplanken. Die Mitarbeiter wissen oft nicht, was sie machen sollen. Viele sind unzufrieden.

Alexander Wallasch: Aber was kann denn die Erwartungshaltung von Karl Lauterbach sein?

Quelle: Eben das weiß man ja im Ministerium oft nicht. Wenn man diese Erwartungshaltung kennen würde, könnten die Mitarbeiter besser arbeiten.

Alexander Wallasch: Wie sieht denn normalerweise so eine Zusammenarbeit aus?

Quelle: Nur als Beispiel: Der Minister sagt, wir brauchen eine Strukturbereinigung in der Versorgung mit Abbau überflüssiger Krankenhausbetten, ich brauche einen Plan. Oder: Macht mir mal einen Entwurf für ein neues Vergütungssystem der ambulanten Versorgung. Dann machen die Mitarbeiter normalerweise ein Papier fertig, mit dem der Minister abschließend nach draußen bzw. in die Gremien gehen kann. So würde man es erwarten. Wir haben ja große Probleme im Gesundheitswesen: Es gibt einen immer größer werdenden Personalmangel und gar nicht genug Personal, um all die Krankenhausbetten in ausreichender Qualität zu betreiben. Auf die Reform der ambulanten Vergütung warten wir auch dringend und darauf, wie wir Sektorengrenzen der Versorgung endlich überwinden. Die Finanzierung der Krankenkassen läuft in ein riesiges Defizit hinein. Da gibt es keine andere Möglichkeit, als weitere Milliarden bei Christian Lindner zu holen. Die wird Lauterbach aber vielleicht gar nicht kriegen. Und dann?

Alexander Wallasch: Was hat Spahn besser gemacht?

Quelle: Jens Spahn hat das Ministerium zumindest professioneller geführt. Problem: Spahn hat es sich leicht gemacht und es wurden neue Ausgaben generiert, als gäbe es kein Morgen. Und die Quittung kommt jetzt so langsam.

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Alexander Wallasch: Was ist Karl Lauterbach für ein Mensch?

Quelle: Lauterbach ist ein intelligenter Mensch, der über ein breites Fachwissen der Versorgung verfügt. Es dürfte kaum eine Studie geben, die er nicht kennt. Ein richtiger „Studienfresser“ ist der. Er scheint aber mit der Führung von hunderten von Mitarbeitern überfordert. Er ist keine Strukturen dieser Art gewohnt. Man darf nicht alles selbst machen. Wer seine Leute nicht ans Arbeiten bekommt, der verliert sie, der geht unter. Und genau das passiert Karl gerade.

Alexander Wallasch: Muss Scholz jetzt die Notbremse ziehen, wird er Lauterbach entlassen?

Quelle: Warum sollte er? Vor dem Hintergrund der Ukrainekrise ist Corona in den Hintergrund getreten und für Gesundheitsthemen allgemein interessiert sich im Moment kaum einer. Gesundheitsthemen sind ohnehin oft zu komplex. Das kann man einem normalen Bürger gar nicht mehr vermitteln. Das heißt, die aktuellen Probleme fallen vor allem Insidern auf.

Alexander Wallasch: Der einfache Bürger mit einer gewissen Lebenserfahrung schaut doch auf Lauterbach und wartet eigentlich nur noch darauf, dass der Mann implodiert. Ist der desaströse Eindruck vom Minister am Ende doch anders als seine eigentliche Verfassung?

Quelle: Ist das so? Lauterbach ist lange genug im Geschäft, er müsste eigentlich mit Druck umgehen können. Aber ich glaube, er hat die Aufgabe, ein Ministerium zu führen, massiv unterschätzt. Glücklich wirkt er nicht, seine Amtszeit ist ja begrenzt. Das wird er sich hinüber retten irgendwie, das hält er schon durch. Er ist ja auch sehr beliebt, wenn man den Umfragen glauben kann.

Alexander Wallasch: Welche dringenden Aufgaben stehen jetzt für ihn an?

Quelle: Die Defizite der Kassen wachsen rapide. Entweder hebt man die Beiträge der Versicherten, das belastet alle und ist angesichts der aktuellen Preissteigerungen kaum vermittelbar. Man könnte auch über eine Erhöhung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds reagieren – auch das muss an anderer Stelle wieder beim Bürger eingesammelt werden. Dritte Option: Reduktion der Ausgaben. Das heißt, Karl Lauterbach müsste massiv sparen. Aber damit macht man sich nie beliebt. Allerdings weiß kaum einer besser als er selbst, dass er jetzt mit der großen Heckenschere rauskommen muss und das Gesundheitswesen zurechtstutzen, sodass es zukunftsfest wird. Da hast du dann aber fast alle gegen dich. Eine Zwickmühle. Vielleicht ist genau das der Grund, warum er im Moment so gelähmt wirkt. Erste Schritte in Richtung Einsparung bei der Pharmaindustrie geht er jetzt – immerhin.

Alexander Wallasch: Warum soll Lauterbach nach Ihrer Meinung über mögliche Strukturveränderungen besser Bescheid wissen als andere?

Quelle: Der saß doch jahrelang im Sachverständigenrat Gesundheit. Und er hat dort genau jene Umstrukturierungen gefordert, die jetzt ins Leben gerufen werden. Das Schlagwort „Über-, Unter- und Fehlversorgung“ ist meines Wissens auch von ihm. Das ist genau die Beschreibung der Strukturveränderung, die schon seit Jahrzehnten ansteht. Jetzt ist er in der Position, etwas zu ändern. Jetzt hat er die optimale Ausgangslage.

Alexander Wallasch: Aber mit jeder neuen Corona-Apokalypse à la Lauterbach ist die Kostenbremse doch weniger möglich. Im Gegenteil, immer neue Tests, die finanziert werden müssen ...

Quelle: …die Kosten für die Tests fallen im Vergleich zu dem, was im Krankenhausbereich oder im Bereich der Pharmaindustrie ausgegeben wird, nicht ins Gewicht. Jetzt muss umstrukturiert werden, wenn wir auf Dauer noch eine vernünftige sachgerechte Versorgung garantieren wollen.

Alexander Wallasch: Was ist denn mit dem Milliardengrab an mRNA-Impfstoffen, die einkauft wurden und nicht jetzt mehr nachgefragt werden …

Quelle: Dazu kann ich fundiert nichts sagen, aber auch das dürfte im Vergleich zu dem, was im Gesundheitswesen los ist, fast unerheblich sein. Wir reden hier gerade über die Garage, wo vielleicht das Dach abgedichtet werden muss. Aber wir müssen über das ganze Haus reden, dass einzustürzen droht, wenn wir nicht langsam mal an die Fundamente gehen. Das ist die Aufgabe, die jetzt ansteht.

Alexander Wallasch: Aber im Moment ist der Krieg in der Ukraine das bestimmende Thema ...

Quelle: Das stimmt. Für einschneidende Reformen im Gesundheitswesen kann das ein Vorteil sein, weil die Lobbyisten weniger mediale Aufmerksamkeit bekommen, wenn das BMG die notwendigen strukturellen Reformen angeht. Im Gesundheitswesen hast du fast keine Chance, überhaupt irgendetwas Strukturelles zu machen, weil immer irgendwer gegen jede Veränderung und das oft auch sehr laut kommuniziert. Zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Versorgung muss das vorhandene Personal ambulant und im Krankenhaus bedarfsgerecht eingesetzt werden. Das werden wir nur mit Umstrukturierung vor allem im Krankenhausbereich sicherstellen können. Das hat mit dem qualifizierten Personal zu tun, das zur Verfügung steht oder eben nicht.

Aber so ein Abbau von zum Beispiel einem Drittel der Krankenhausbetten, da gibt es natürlich massive Widerstände, vor allem vor Ort. Jetzt ist eine gute Zeit, wo man massive Einsparungen durchsetzen könnte: Die Menschen schauen zu Recht schockiert auf die Toten in der Ukraine und sagen: Was haben wir hier eigentlich für Luxusprobleme? Jetzt ist die Notwendigkeit und auch die Chance zur Veränderung. Und Lauterbach hat das Knowhow, das zu machen. Er war der erste, der in Deutschland einen Lehrstuhl für Ökonomie und Gesundheit aufgebaut hat. Das war sein Lehrstuhl, seine Idee.

Alexander Wallasch: Eine fast zu positive Beschreibung für den Kopf dieses großen Versagens jetzt im Amt und zuvor als erster Gesundheitsexperte der SPD in der Pandemie. Oder wird er sich noch zum Kriegsgewinnler aufschwingen?

Quelle: Lauterbach könnte sich einfach zu einem wirklichen Star machen, der grundlegende Reformen durchsetzt, wo in zehn Jahren alle mit Bewunderung auf ihn schauen werden.

Alexander Wallasch: Ach kommen Sie, wie soll das denn gehen? Der Ober-Antreiber der Corona-Maßnahmen und der größte Warner und Mahner vor fehlenden Betten soll plötzlich ein Drittel dieser Krankenhausbetten abschaffen?

Quelle: Er kennt die Studien, die belegen, wie man hier ansetzen muss. Kaum einer wie Lauterbach weiß, wie dringend notwendig Strukturveränderungen im Gesundheitswesen sind. Er weiß, wie es geht.“

Alexander Wallasch: Vielen Dank für das Gespräch.

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Epilog zum Interview:

Karl Lauterbach ist seit nunmehr 114 Tagen Bundesgesundheitsminister. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Parteifreund ernannte, verfolgte er damit einen Zweck, der über die Frage der Befähigung für dieses Amt weit hinausgeht. Diese Personalie war zweifellos auch eine deutliche Kampfansage an jene, die sich dem Corona-Regime nicht unterwerfen wollten bzw. die es wagten, die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung vehement zu kritisieren.

Folgende Maßnahmen mussten sich widerspenstigen Bürger gefallen lassen:

Ihr selbstverständliches Recht zu protestieren, wurde ihnen aberkannt, eine Reihe von regierungskritischen Demonstrationen wurden nicht mehr genehmigt, immer versehen mit dem Hinweis auf eine zu erwartende Nichteinhaltung von Hygiene-Maßnahmen. Eine ganze Bewegung wurde diffamiert bis hin zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz.

Daten zur Corona-Lage wurden - und werden noch - auf eine Weise missinterpretiert, was nur den Schluss zulässt, dass der Regierung daran gelegen ist, die Einschränkung der Grundrechte der Bürger auf unbestimmte Zeit zu verlängern.

Die Beschlüsse von Freiheitseinschränkungen der Bürger durch die Ministerpräsidentenkonferenz und Bundeskanzlerin/ -kanzler sind nicht vom Grundgesetz abgedeckt. Einschränkungen der Grundrechte sind allein vom Bundestag zu legitimieren, das Parlament darf nicht übergangen werden.

Das Missmanagement der Bundesregierung bezogen auf die Pandemie-Maßnahmen hat den Bürger zusätzlich hunderte von Milliarden Euro Steuergelder gekostet. Unter anderem das Handelsblatt stellte schon Anfang 2021 fest: „In der zweiten Corona-Welle zeigt sich mittlerweile ein Ausmaß an Missmanagement auf vielen staatlichen Ebenen, das zu einer ernsten Gefahr für die Akzeptanz der Corona-Beschränkungen werden kann.“ Und zu diesem Zeitpunkt war das Milliardengrab der mRNA-Einkäufe noch gar nicht geschaufelt und Scholz noch nicht Bundeskanzler. Schon im September 2021 rechnete das ZDF mit Pandemiekosten von 500 Milliarden Euro. Die immensen Folgeschäden hier noch gar nicht mitgerechnet.

Bis heute gab es von Merkels Nachfolger keinerlei substanzielle Kritik an der Pandemie-Politik seiner Vorgängerin. Olaf Scholz vollzog lediglich seine eine Rochade vom Bundesministerposten ins Kanzleramt, während Merkel in aller Seelenruhe entschwand, als wäre nichts gewesen.

Olaf Scholz hat die Pandemie-Politik seiner Vorgängerin nie kritisiert, war aber als Kabinettsmitglied mitverantwortlich. Und es erweckt heute den Anschein als hätte Angela Merkel nicht nur ihren treuen Sprecher Steffen Seibert zum Botschafter in Israel gemacht, noch viel gewichtigere Personalwünsche muss sie ihrem Nachfolger Scholz mit der Brennschere eingegeben haben.

Zum großen Zapfenstreich für die Scheidende verabschiedete sich der spätere Bundesgesundheitsminister von der Kanzlerin per Twitter mit den Worten:

„Ich kann nur Danke sagen für die gute Zusammenarbeit in der Corona Pandemie. Es ist ganz klar, dass Deutschland die bisher im Vergleich zu anderen Ländern gute Bilanz zu einem erheblichen Teil auch Angela Merkel verdankt. Ohne Parteipolitik: Alles Gute.“

Zuletzt bleibt die Frage, ob eine Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht bereits einen Karl Lauterbach im Amt einem Jens Spahn vorgezogen hätte, wenn er nur das richtige Parteibuch gehabt hätte. So blieb es am Genossen Olaf Scholz, den Pandemie-Apokalyptiker zu inthronisieren und jedem kritischen Bürgern im Land den Fehdehandschuh hinzuwerfen.

Wenn sich Olaf Scholz jetzt noch stehenden Fuße aus dem Schlamassel retten will, muss er zweierlei Dinge tun: Endlich Ross und Reiter nennen und die Verheerungen der Politik seiner Vorgängerin schonungslos benennen und sich dann schleunigst vom Beteiligten zum Chef des Aufräumkommandos umetikettieren.

Aber noch viel wichtiger, er muss sich von Personalien trennen, unter denen der Zerfall dieses Landes noch radikal beschleunigt wird. Reden wir gar nicht von der grünen Außenministerin und ihrem Parteifreund auf dem Posten des Wirtschaftsministers – auch das übrigens Wunschkandidaten von Angela Merkel.

Und nein, die Rede ist auch nicht von dieser Mutter aller Fehlbesetzungen an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Christine Lambrecht ist mehr als nur ein tragischer Fall. Die Rede ist von Karl Lauterbach.

Will Scholz seine Kanzlerschaft jetzt noch irgendwie notdürftig über die Zeit retten, muss er den Gesundheitsminister sofort entlassen oder auf einen Flächenbrand in Sachen Ukraine hoffen. Letzteres aber wird auch der ärgste Feind dem Bundeskanzler nicht unterstellen wollen.

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