„Ich bin da mit einem Blutdruck von 180 raus aus der Sitzung“

Tag der Schande im Landtag – Jetzt spricht der Co-Vorsitzende der Thüringer AfD

von Alexander Wallasch (Kommentare: 13)

Starke Nerven gefragt: Alterspräsident Jürgen Treutler© Quelle: Youtube/Tagesschau, Screenshot

Was der Thüringer Landtag gestern einer staunenden Öffentlichkeit in einer Live-Übertragung geboten hat, kann als Offenbarungseid der etablierten Politik gewertet werden.

Beschämend obendrauf der tragische Versuch der Alt-Medien, diesen Angriff auf die Demokratie zu einer Verteidigung der Demokratie umdeuten zu wollen. Alexander-Wallasch.de sprach mit dem Juristen Stefan Möller über den gestrigen Tag im Thüringer Landtag, er ist neben Björn Höcke einer der beiden Vorsitzenden der AfD in Thüringen.

Heute war die erste Landtagssitzung in Thüringen. Der Landtagspräsident sollte gewählt werden. Dann gab es Probleme. Können Sie mir sagen, welche?

Die Probleme haben sich zum Teil vorher bereits abgezeichnet. Und das liegt am Versuch der Mehrheit des Landtags, das Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion, also der AfD-Fraktion, für den Landtagspräsidenten zu hintertreiben. Man hat sich zunächst auf zwei verschiedene Strategien verständigt:

Die erste Strategie lautete, dass man meinte, es gäbe ein Dokument aus der letzten Wahlperiode, in dem von der Landtagsverwaltung erklärt worden ist, man könne ja die Geschäftsordnung vielleicht so anwenden, dass ab dem dritten Wahlgang für den Präsidenten auch Vorschläge anderer Fraktionen zulässig sind.

Das lässt sich allerdings mit dem klaren Wortlaut der Geschäftsordnung nicht unter einen Hut bringen. Und deswegen hat man sich letzte Woche einen zweiten Weg überlegt, nämlich einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung vor die Wahl des Landtagspräsidenten zu legen.

Das aber ist insofern ein Problem, als wir hier in Thüringen eine Besonderheit haben: In Thüringen wird die Geschäftsordnung der alten Sitzungsperiode kraft Gesetzes als zunächst weiter geltend angeordnet. Es gibt also eine entsprechende verbindliche Regelung des Thüringer Geschäftsordnungsgesetzes.

Diese ignoriert die Mehrheit. Die anderen Fraktionen behaupten sinngemäß, der Landtag stehe über diesem Gesetz, es gelte für ihn nicht. Sie leiten das aus der Geschäftsführungsautonomie ab, wonach sie sich angeblich jederzeit eine neue Geschäftsordnung geben könnten. Was dabei übersehen wird, ist die Tatsache, dass der Landtag in der achten Sitzungsperiode überhaupt erst beginnt zu existieren, wenn die alte Landtagsperiode endet. Die alte Landtagsperiode endet aber erst mit dem Zusammentritt der neuen Landtagsperiode. Und der Zusammentritt des neuen Landtags wiederum ist erst abgeschlossen mit dem Aufruf der Namen aller Abgeordneten und der Feststellung der Beschlussfähigkeit.

Die anderen Fraktionen wollen sozusagen schon handlungsfähig sein, bevor diese Beschlussfähigkeit festgestellt worden ist. Und das hat den Hintergrund, dass sie gerne die Tagesordnung vorher schon verbindlich durch einfache Mehrheit festlegen wollen. Diese Strategie kollidierte mit der Rechtsauffassung des Alterspräsidenten, der sich streng nach den Vorgaben des Wortlauts der Geschäftsordnung richtet.

Und der Alterspräsident ist AfD-Abgeordneter ...

Genau, dass ist Jürgen Treutler von unserer Fraktion.

Und warum ist es für die anderen Parteien im Landtag Ihrer Auffassung nach so wichtig, dass der Landtagspräsident nicht von der AfD kommt?

Das kann ich mir gut vorstellen: Der Landtagspräsident hat eine sehr hohe Repräsentationsfunktion. Und wenn die etablierte Politik etwas fürchtet, dann sind es AfDler, die in Repräsentationsfunktionen positiv wirken, weil man dadurch natürlich sehr schnell das Zerrbild, das über die AfD existiert, zum Wanken bringt. Im Übrigen hat die Landtagspräsidentin – jedenfalls nach der Wahrnehmung und der Sichtweise der AfD-Fraktion – in der letzten Legislaturperiode sehr tendenziös das Amt geführt.

Von welcher Partei?

Es war Birgit Pommer von den Linken. Sie hat sich auch jetzt, nach dem Ende ihrer Amtsperiode, nicht an die Regeln gehalten und hat kraft ihrer eigenen Wassersuppe ohne rechtliche Legitimation diesen Geschäftsordnungsänderungsantrag auf die Tagesordnung aufgenommen, obwohl sie dazu gar nicht berechtigt ist. Sie ist ja nicht mal in den neuen Landtag gewählt worden!

Und diese Willkür, dieses Handeln neben dem Gesetz, das hat man bisher weidlich ausgenutzt, auch in der Auseinandersetzung mit der AfD. Und das wäre natürlich mit einem AfD-Präsident nicht möglich. Im Gegenteil, jetzt fürchtet man natürlich, dass ein AfD-Präsident das genauso machen könnte.

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Das alles wurde im Fernsehen übertragen, in einer Liveschaltung. Viele Bürger haben demnach gesehen, wie sich dieser stoische, ruhige Alterspräsident immer wieder ins Wort fallen lassen musste, von einem anderen Abgeordneten. Von der CDU?

Genau, von Andreas Bühl, dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion, der bei jeder Gelegenheit betont, dass die AfD das Parlament verächtlich machen möchte oder sich ähnlich ausdrückt und uns Spielereien und Tricksereien vorwirft. Und ja, man hat sich heute, obwohl die Sitzungsleitung ja dem Alterspräsidenten zusteht, selbst das Wort erteilt. Übrigens nicht nur einmal, trotz Ermahnung und trotz Ordnungsrufen, hat Bühl das ein paar Mal gemacht.

Das alles hat auf mich den Eindruck gemacht, dass man hier ganz bewusst einen destruktiven Weg gewählt hat, um den Alterspräsidenten aus dem Konzept zu bringen und ihn letztlich auch zur Resignation zu zwingen. Es hat aber nicht funktioniert, weil unser Alterspräsident Nerven aus Stahl hat.

Dann kam der Vorwurf einer „Machtergreifung“ ...

Was einigermaßen wahnsinnig ist, weil die Funktion des Altpräsidenten natürlich eine vorübergehende ist und es die etablierte Politik selbst in der Hand hat, das zu beenden.

Die demokratische Wahl hat ja zunächst die Macht der alten Regierung beendet. Jetzt soll die Macht, wie in Demokratien üblich, an eine neugewählte Mehrheit übergehen ...

Der Vergleich mit der Machtergreifung, das war aus meiner Sicht auch ein bewusster Rückgriff auf die sprachlichen Bilder, die im Zusammenhang mit 1933 verwendet werden. Das war natürlich eine Bösartigkeit sondergleichen. Und auch die zielte darauf ab, den Landtagspräsidenten zu einer Überreaktion zu bringen. So deute ich das jedenfalls. Denn natürlich ist dem Herrn Bühl bewusst, welche Regeln es gibt und welche Regeln einzuhalten sind. Aber das ist – und ich kann es mir nicht anders deuten – offensichtlich konzertiert, auch in Absprache mit Teilen der Landtagsverwaltung hintertrieben worden.

Denn die Landtagsverwaltung selbst hat auch immer wieder versucht, störend auf Jürgen Treutler einzuwirken. Was ich wirklich völlig infam fand: Nachdem diese Störungen durch einzelne Abgeordnete unter Missbrauch des Mikrofons erfolgt sind – die sich selbst das Wort erteilt haben und dafür abgemahnt wurden und nachdem auch Ordnungsrufe erteilt worden sind, bat Jürgen Treutler die Landtagsverwaltung – die mit im Präsidium sitzt – darum, diesen Abgeordneten das Mikrofon auszustellen, damit die Störungen nicht mehr ganz so stark sind. Die haben das aber nicht umgesetzt.

Der Alterspräsident hat doch mehrere Ordnungsrufe erteilt. Ist dann nicht irgendwann auch ein Verweis aus dem Sitzungssaal die nächste Sanktionsstufe?

Ja, beim dritten Mal. Mein Eindruck war, dass mit diesem Nazi-Vorwurf einer „Machtergreifung“ genau das provoziert werden sollte, um daraus dann einen Eklat zu machen. Diesen Eindruck hatte ich sehr stark, dass man hier versucht hat, diesen letzten Schritt auch noch zu provozieren. Ich kann nur immer wieder sagen, obwohl unser Alterspräsident noch sehr unerfahren ist als Polit-Neuling, hat er das menschlich exzellent und mit Nerven aus Drahtseilen bewältigt.

Wie war die Stimmung in der AfD-Fraktion selbst, währenddessen der Alterspräsident so attackiert und beschimpft wurde?

Die Empörung ist schon übergekocht. Ich kann Ihnen sagen, ich bin da mit einem Blutdruck von 180 raus aus der Sitzung. Weitestgehend konnten wir die Ruhe bewahren. Es gab natürlich auch Wortgefechte mit dem BSW und auch mit der CDU.

Welche Rolle hatte die Wagenknechtpartei?

Fürchterlich. Das war die schlimmste Landtagssitzung, die ich je erlebt habe.

Auch von Seiten des BSW? Die haben da nicht versucht, zu vermitteln?

Da gibt es zwei oder drei Abgeordnete, welche die Führungsspitze darstellen. Die waren auf dem gleichen Kurs, sie haben den Antrag mit der CDU-Fraktion gemeinsam gestellt und wollten dieses Konzept ganz offensichtlich umsetzen, und das Konzept setzte auf Konfrontation.

Man hätte ja mit der AfD-Fraktion ins Gespräch kommen können, wie man diesen Konflikt löst, und da gäbe es Lösungsansätze. Aber man hat es stattdessen vorgezogen, die AfD letztes Wochenende über Rundfunk und über Zeitungen wissen zu lassen, dass ein AfDler grundsätzlich als Mensch unwürdig ist, um Landtagspräsident zu sein oder beispielsweise auch in der parlamentarischen Kontrollkommission zu sitzen. Dieser Weg der Konfrontation ist ganz offensichtlich bewusst gewählt und heute ergänzt worden, um diese Methode der Obstruktion und der Sabotage der Sitzungsleitung.

Jetzt hat die Thüringer CDU-Fraktion das Verfassungsgericht angerufen. Wie neutral ist das denn in Thüringen? Was erwarten oder befürchten Sie da?

Ehrlich gesagt, Herr Wallasch, ich weiß ich es nicht. Ich sag Ihnen ganz offen, ich bin ja selbst Jurist, das heißt, ich glaube grundsätzlich an die Institution der Justiz. Aber die Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts, auch des Bundesverfassungsgerichts in Corona-Angelegenheiten – auch in anderen Angelegenheiten – hat in mir Zweifel aufkommen lassen. Und wenn Sie dann mal schauen, aus welchen gesellschaftlichen Gruppen die Verfassungsrichter letztlich gewählt werden. Das sind alles Gruppen, in denen das Anti-AfD-Narrativ, welches auch insgesamt schon sehr stark wirkt, besonders stark verankert ist.

Ich will jetzt gar nicht mal sagen, dass die das bewusst machen, aber unbewusst glaube ich schon. Ich rechne jedenfalls damit, dass sie diesem Anti-AfD-Narrativ unbewusst nicht widerstehen können. Möglicherweise wird mir das der Verfassungsschutz auch aufs Brot schmieren. Aber ich habe diese Zweifel nun mal. Ich muss ganz ehrlich sagen, das hat sich leider in den letzten Jahren bei mir manifestiert. Ich bin einerseits der festen Überzeugung, dass das Recht komplett auf unsere Seite ist, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Auf der anderen Seite habe ich Zweifel, ob wir als AfD vor einem allein durch die etablierte Politik besetzten Verfassungsgericht überhaupt noch Recht bekommen können.

Glauben Sie nicht an eine für die AfD positive Wirkung der Bilder? Das ist doch für viele mir dem Gewissen nicht vereinbar, was sie da sehen mussten. So etwas können immer mehr echte Demokraten und auch freie Medienvertreter nicht mehr ignorieren oder sogar gutheißen. Zahlt es nicht am Ende für die AfD ein?

Ja, das glaube ich auch. Und ich glaube vor allem – das ist wahrscheinlich auch der entscheidende Punkt, den die CDU übersieht und vielleicht auch das BSW hier in Thüringen – dass die eben nicht mehr die Deutungshoheit haben. Denn die Leute gucken nicht mehr nur den MDR. Zum Glück für uns gibt es mittlerweile sehr viele freie Medien. Sie zählen ja beispielsweise auch dazu. Es gibt die Neue Zürcher Zeitung, es gibt den Cicero. Das sind ja auch alles keine AfD-Blätter, sondern die haben durchaus auch eine gehörige Portion AfD-Skepsis. Trotzdem übernehmen sie dieses Narrativ nicht, welches beispielsweise der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier in Thüringen verbreitet.

Danke für das Gespräch!

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