Löst ein Verbot von FoodPorn im Internet das weltweite Energieproblem?

An-der-Waffel-Tag beim FDP-Digitalminister: Volker Wissing warnt, Essen zu fotografieren

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

An-der-Waffeltag beim FDP-Digitalminister: Volker Wissing warnt, Essen zu fotografieren
Wissing: „Wenn man sich die Zahl der Fotos von Essen anschaut weltweit, kommt man auf einen enormen Energieverbrauch. Man muss sich die Frage stellen, ob das wirklich notwendig sei.“© Quelle: © Quelle: Wikimedia Commons / Olaf Kosinsky, Freepik.com / freepik, Bildmontage: Alexander Wallasch

Jetzt wird‘s richtig lustig: Die Grünen haben die FDP als Ampelblindarm endgültig zum grünen Mitesser gemacht. Konkret warnt der bisher stiefmütterlich am Rande des Kabinetts arbeitende Bundesminister für Verkehr und Digitales, Volker Wissing (FDP), vor einem gigantischen Energieverbrauch der Digitalisierung. Und er empfiehlt allen Ernstes, zukünftig auf FoodPorn zu verzichten. Also darauf, sein Mittagessen via Soziale Netzwerke digital mit Freunden zu teilen oder gleich mit der ganzen Welt.

Wer es gerne düster hat, darf hier glauben, dass das die Zukunft ist: Regierungen stellen nach Belieben das Internet aus, wenn das Volk mal wieder den Aufstand probt. Und offiziell könnte für solche drakonischen Maßnahmen immer ein Energienotstand ins Feld geführt werden.

Markieren der Krieg in der Ukraine und ein damit einhergehender möglicher Energienotstand das Ende der Digitalisierung? Ein Zurück zu Rauchzeichen (geht das energiesparend?), Brieftauben und Briefe schreiben? Wenn es einen Notstand gibt, dann war der allerdings schon viel früher auf der Tagesordnung und hat etwas mit erneuerbaren Energien und dem Abbau herkömmlicher Energieerzeugung zu tun.

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Minister Wissing erklärte zum Abschluss eines Treffens von G7-Ministern am Mittwoch in Düsseldorf: „Wir dürfen nicht den Fehler wiederholen, den wir bei der Industrialisierung begangen haben, dass man die Nachhaltigkeit hintenangestellt hat.“

Der FDP-Minister weiß auch schon, wie das Problem des digitalen Energieverbrauchs zu lösen ist:

„Beispielsweise neigen wir dazu, dass wir unser Essen fotografieren. Und wenn man sich die Zahl der Fotos von Essen anschaut weltweit, kommt man auf einen enormen Energieverbrauch. Man muss sich die Frage stellen, ob das wirklich notwendig sei.“

Selbstredend, dass jetzt der soziale Schwarm alles durchforstete, was Volker Wissing jemals an Mittagessen aus der Bundestagskantine mit seinen Followern geteilt hat. Mit Erfolg: So erzählt die Welt, dass auf Wissings Instagram-Account der Minister Ende 2020 stolz mit einem Teller Waffeln zu sehen ist, unterschrieben mit der Zeile: „Waffeltag. Ein im wahrsten Sinne des Wortes verwöhnter Minister.“

Aber noch etwas anderes erstaunt in diesem Zusammenhang. Wer sich noch an Angela Merkel erinnert, der weiß vielleicht, dass sie es als Bundeskanzlerin in kaum einer Rede ausgelassen hat, darauf hinzuweisen, dass die Digitalisierung der Schlüssel des Wirtschaftswachstums von morgen sei. Und dass wir Deutschen den Anschluss nicht verpassen dürften. Von den Energiekosten der Digitalisierung war da selten die Rede. Eher davon, dass im übertragenen Sinne jedes Laptop bald sein eigenes flottes Windwheel bekommt.

Noch besser: Die Digitalisierung wurde von der Merkelregierung als der Energieeinsparer überhaupt gefeiert. Unter der Überschrift „Energieeffizienz durch Digitalisierung“ veröffentlichte das Wirtschafts- und Energieministerium noch im November 2020 folgende Beschreibung der Energiesituation im digitalen Raum:

„Der Digitalisierung werden große Potenziale zugesprochen, die Energieeffizienz in verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu verbessern und den Energiebedarf innerhalb der Sektoren zu senken (…). Durch die Nutzung digitaler Technologien sind Effizienzgewinne sowohl in der Energieerzeugung als auch in der Gestaltung des Energieverbrauchs möglich. Laut der International Energy Agency (2017) beinhaltet die Digitalisierung somit insgesamt „[...]a great promise to help improve the safety, productivity, efficiency and sustainability of energy systems worldwide“.“

Hat die Merkel-Regierung den Wahnsinn der deutschen Futtergeilheit und der damit einhergehenden FoodPorn-Bewegung unterschätzt? Aber es kommt ja alles noch viel schlimmer: Minister Wissing hat das berühmte Fass ohne Boden mit Weisheit füllen wollen. Denn was ist mit Katzenfotos und Familienfeiern, was mit Sportevents, Reisen und Kindern?

Und was mit den Milliarden deutschen Selfies? Empfiehlt der Minister hier zukünftig wieder den guten alten Blick in den Spiegel als Selfie-Ersatz?

Und wenn wir schon bei Foodporn sind, warum nicht auch nach dem RealPorn fragen? Denn Pornofilme sind die absoluten Bestseller im Internet, sogar noch vor Katzen und Co. Ruft der Minister demnächst also zur Enthaltsamkeit auf oder verdammt das Singleleben? Der Partner als Porno-Ersatz? Aber wie nun einen analogen Sexpartner kennenlernen? Dann müsste man ja wieder ins Digitale, beispielsweise auf das One-Night-Stand-Portal Tinder und auf ein „Match“ hoffen, das ein Porn-Erlebnis verspricht.

Wechseln wir abschließend noch einmal vom spaßigen, neuanalogen Digitalminister ins ernste Fach: Was sagen eigentlich die großen Energieerzeuger dazu? E.ON und CO stehen ja schon länger vor einer Zwickmühle: Einerseits wollen sie ihr Produkt verkaufen, anderseits sollen sie zum Sparen aufrufen, also eine Art StromPorn mit schwarzen Balken, wenn es ans Eingemachte geht.

E.ON fragt dazu: „Schon gewusst?“ Und als Antwort heißt es da:

„Eine Google-Suchanfrage verursacht einen Strombedarf von rund 0,3 Wattstunden. Ein Wert, der sich bei 1 Mio. Suchanfragen weltweit pro Sekunde auf bis zu 300.000 Wattstunden (300 kWh) summieren kann. Nur zum Vergleich: Ein Single-Haushalt verbraucht durchschnittlich 1.500 Kilowatt-Stunden pro Jahr.“

Noch ein Tipp von E.ON lautet, lieber auf die altbewährte DVD zurückzugreifen, anstatt energiefressend Videos zu streamen. Wurde da der Energieverbrauch für die Produktion der DVD mitgedacht? Oder ist das ein Reload der guten alten Videotheken? Was eine weitere Frage anschließt: Wie konsequent ist das zu Ende gedacht? Wäre hier ein analoger Theaterbesuch nicht das Nonplusultra der Einsparung, möglicherweise nach einer Gewöhnungsphase auch eines der Unterhaltung?

E.ON empfiehlt weiter, die Auflösungen digitaler Downloads zu reduzieren. Das klingt allerdings noch ziemlich verschwommen. Fazit: Der FDP-Minister hat sich auf interessante Weise ins Gespräch gebracht. Aber er sollte bedenken, dass er mit seinem Unsinn vor allem eines erreicht hat: Wenn über ihn geredet wird, dann nicht auf der Straße, sondern im digitalen Raum. Und daraus könnte dann ganz schnell ein ziemlich realer EnergiePorn werden.

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