In der Theorie wird nicht geschossen – Auf dem Schlachtfeld fallen die Soldaten

Von wem wird Deutschland systematisch in den Krieg getrieben?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Von wem wird Deutschland systematisch in den Krieg getrieben?
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: „Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen, die ins Kampfgebiet geliefert werden, kann völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung durch den Westen darstellen.“© Quelle: © Quelle: Screenshot / YouTube, DER SPIEGEL, Freepik.com / starline und freepik, Bildmontage: Alexander Wallasch

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich wundert diese Lässigkeit des Westens, anzunehmen, der Krieg in der Ukraine folge irgendwelchen Regeln. Allein die Idee, das Grauen des Krieges ließe sich im 21. Jahrhundert entlang zivilisatorischer Maßstäbe einhegen, halte ich für grotesk.

Die Bilder aus den umkämpften Gebieten der Ukraine sind unerträglich. Und das sind sie bereits dort, wo sich die Gefechte vermeintlich an die Genfer Konventionen halten, also an ein Regelwerk, das die Grausamkeit des Krieges begrenzen will. Der Krieg als Boxkampf. Und die Explosionen unter die Gürtellinie werden dann in Den Haag beim Internationalen Strafgerichtshof nachverhandelt?

Unter George W. Bush führten die Amerikaner im August 2002 den „American Service-Members’ Protection Act“ ein. Ein Gesetz, das die US-Regierung, das US-Militär und andere offizielle US-Vertreter vor Strafverfolgung durch den Internationalen Gerichtshof im niederländischen Den Haag schützt.  

Seit Anfang 2001 hatten die USA erwogen, Saddam Hussein zu stürzen. Am 20. März 2003 begann dann der Zweite Irakkrieg. Zwischen diesen Daten lag die US-eigene Immunisierung. Dazu kann sich jeder seinen eigenen Teil denken.

Die Ukraine ist ebenfalls kein Vertragsstaat. Aber zwischen November 2013 und Februar 2014 kam es zu einer Art Teilzeitanerkennung des Internationalen Gerichtshofes mit dem Ziel, den gestürzten ukrainischen Staatspräsidenten Wiktor Janukowytsch und weitere Regierungsmitglieder in Den Haag verurteilen zu lassen. In einem ersten Bericht hatte die Anklägerin allerdings keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit gefunden.  

Russland ist ebenfalls kein Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofes. Aber die Ukraine hat dem Gericht jetzt erneut die Zuständigkeit für Verbrechen auf ihrem Territorium übertragen und das „unabhängig davon, wer sie begeht.“

Das ukrainische Verfassungsgericht hatte schon vor Jahren entschieden, dass die Statuten des Internationalen Strafgerichtshofes unvereinbar mit der Verfassung des Landes seien.

Interessant ist außerdem, dass 2018 in einem Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte über die Situation in der Ukraine angemerkt wurde, „dass Menschenrechtsverletzungen auf ukrainisch-kontrolliertem Territorium juristisch nicht nachgegangen werde“.

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Wie ist das zu verstehen, wird hier etwa der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) immer erst dann aktiviert, wenn man ihn für die eigene Sache einspannen kann? Am vergangenen Monat eröffnete der IStGH ein Online-Beweisportal. Dort werden ukrainische Bürgerinnen und Bürger eingeladen, Teil des Ermittlungsprozesses zu werden.

Aber was können internationale Vereinbarungen überhaupt bewirken, wenn sich die Staaten – hier vor allem die Supermächte - einer höheren Gerichtsbarkeit entziehen?

Der Internationale Gerichtshof hatte Mitte März angeordnet, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine sofort beenden muss. Die Gewalt müsse sofort enden, sagte Joan Donoghue, die Präsidentin des Gerichtes. Der militärische Einsatz Russlands führe zu unzähligen Toten und Verletzten.

Wie kam es zu dieser Aufforderung der Präsidenten des Gerichtshofes? Die Richter gaben damit einer Dringlichkeitsklage der Ukraine statt, eines Landes, das sich selbst aber gar nicht den Regeln des Gerichtshofes unterwerfen mag.

Soviel also zum Hintergrund dieser überbordenden Anstrengungen der Menschheit, aus den Erfahrungen der Weltkriege mit ihren schrecklichen Bildern irgendein Regelwerk zu entwickeln, das künftige Kriegsteilnehmer daran erinnern soll, nach Ende eines Krieges Kriegsverbrechen auch individuell zu bestrafen.

Dass Krieg an sich schon ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, bleibt an der Stelle eine theoretische Größe.

Aktuell wird in Politik und Medien viel darüber gestritten, wann und mit welchem Zutun ein Land in einen Krieg eintritt. Hier bahnt sich eine weitere Sollbruchstelle der deutschen Gesellschaft an.

Auf dem Schlachtfeld wird nicht debattiert, ob dieser oder jener Angriff, diese oder jene Waffenlieferung den Lieferanten zum Kriegsteilnehmer machen. Die Faustregel geht anders: Wenn das, was ich mache, mein Gegenüber in eine schlechtere Position bringt, bin ich Kriegsgegner. Hier gibt es keine Spielregeln, die auf dem diplomatischen Marktplatz kurz zwischenverhandelt werden könnten. Das sind romantisierende Vorstellungen kriegerischer Auseinandersetzungen vom Kartentisch absolutistischer Herrscher.

Jetzt hat sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten damit auseinandergesetzt, wann Deutschland aufpassen muss, nicht als Kriegsteilnehmer des russisch-ukrainischen Krieges zu erscheinen. Das Gutachten liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor und ist erschreckend.

Die Zeitung wiederholte in seiner Schlagzeile die Frage des Wissenschaftlichen Dienstes: „Ist Deutschland schon Kriegspartei?“ Die Antwort lautet in Kurzfassung:

„Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen, die ins Kampfgebiet geliefert werden, kann völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung durch den Westen darstellen.“

Der Dienst des Bundestages spricht zunächst von einem Konsens darüber, dass westliche Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen nicht als Kriegseintritt gewertet werden kann.

Aber Konsens zwischen wem? Was bedeutet das? Hat das überhaupt eine relevante Bedeutung über die bloße Theorie hinaus? Und weiß Putin das auch? Wird er sich daran halten? Das alles klingt, wie die Spielanleitung für einen Beutel voller Zinnsoldaten.

Im Rechtsgutachten aus dem Bundestag heißt es weiter:

„Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“

Das Papier ist zwölf Seiten lang und trägt den Titel: „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“.

Das Gutachten erinnert auch daran, dass sich Russland an die Charta der Vereinten Nationen gebunden fühlt. Das Papier verhandelt aber nicht, wie sich ein Aggressor solchen Bindungen gegenüber verhält oder ein Kriegsteilnehmer, der mit dem Rücken zur Wand steht. Die Charta erlaube es jedem Staat, einen „angegriffenen Staat zu unterstützen, ohne dabei selbst Konfliktpartei werden zu müssen“.

Das Gutachten schlussfolgert daraus: „Dabei nimmt der unterstützende Staat eine nicht-neutrale, gleichwohl aber am Konflikt unbeteiligte Rolle ein“. Es handele sich um die Rolle der sogenannten „Nichtkriegsführung“, die die „traditionelle Neutralität“ inzwischen völkerrechtlich ersetzt habe.

Man kann es an der Stelle immer wieder nur wiederholen: Krieg und Völkerrecht sind keine siamesischen Zwillinge. Schon der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz sprach davon, dass der Krieg aus sich heraus keine Mäßigung kenne.

Das Redaktionsnetzwerk hält das Gutachten nun insbesondere dort für brisant, wo es feststellt, dass Deutschland inzwischen nicht nur direkte Waffenlieferungen angekündigt habe, sondern auch die Ausbildung ukrainischer Truppen an westlichen Waffen auf deutschem Boden unterstützt.

Keine geringere als die deutsche Verteidigungsministerin selbst hatte den zitierbaren Beleg dafür geliefert, dass Deutschland in arge Bedrängnis kommt, will es sich weiterhin nicht als Kriegspartei verstehen. Christine Lambrecht sagte am Dienstag vergangener Woche auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein:

„Wir arbeiten gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden bei der Ausbildung von ukrainischen Truppen am Artilleriesystemen auf deutschem Boden.“

Haben die Amerikaner uns reingelegt? Und ist Lambrecht hier nur die Dumme, die es ausgeplaudert hat? Es erstaunt, mit welcher scheinbaren Naivität und Selbstsicherheit sich deutsche Politik immer noch auf der sicheren Seite wähnt.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil erklärte im Bundestag: „Wir haben gesagt, dass wir selbst nicht zur Kriegspartei werden.“ Möglicherweise haben die Amerikaner uns die Entscheidung darüber aber längst abgenommen.

So hatte John Kirby, Sprecher des Verteidigungsministeriums, bereits erklärt, dass ukrainische Truppen auf US-Militärstützpunkten in Deutschland ausgebildet werden. Und diese Ausbildung sei auch noch mit der Bundesregierung abgesprochen. Also auch das ein Festessen als Verschwörungsfutter für jene Kreise, die schon grundsätzlich eine deutsche Souveränität anzweifeln.

Zaklin Nastic, Obfrau im Verteidigungsausschuss und menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken, hat das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bereits gelesen und kommentiert es gegenüber dem, RND so:

„Die Ampelkoalition und die Union haben Deutschland mit ihrem Bundestagsbeschluss, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern und darüber hinaus auch ukrainische Soldaten ‚in Deutschland oder auf NATO-Gebiet‘ auszubilden, zur aktiven Kriegspartei gemacht.“

Wenn also der Bundeskanzler noch vor wenigen Tagen vor einer direkten militärischen Konfrontation zwischen der Nato und einer Nuklearmacht (Russland) gewarnt hatte, dann sind es mittlerweile nicht nur die kriegslüsternen Grünen, die ihren Kanzler torpedieren, die USA verletzen über ihre Militärbasen ebenfalls massiv die deutsche Souveränität.

Und damit spielen die Amerikaner unter anderem auch dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk in die Hände, der es gar nicht abwarten kann, Deutschland als Kriegsteilnehmer zu definieren und für den der Dritte Weltkrieg am liebsten bereits begonnen hat.

Die Rolle der Bundesregierung als ein erfolgversprechender Vermittler in diesem wahnsinnig gewordenen Konflikt ist den Amerikanern schon lange ein Dorn im Auge, und der ukrainischen Regierung sowieso.

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